2008 Die Kreisgrabenanlage von Künzing-Unternberg

Seminar Kreisgräben WS08, Jakob Maurer:

Die Kreisgrabenanlage von KÜNZING-UNTERNBERG

  1. 1. Forschungsgeschichte

1928: Erste Beschreibung von dunklen Verfärbungen in durch Lößabgraben entstandener Böschung und jungsteinzeitliche Funde – bereits damals Befestigung angenommen (Petrasch 1991a, 6).

Ende der 70er: „Wiederentdeckung“ der Fundstelle Künzing-Unternberg durch systematische Luftbildprospektion durch Rainer Christlein und Otto Braasch (Petrasch 1991b, 30; Ders. 1998, 187: In Südbayern aus Gründen der Prospektion derzeit sogar mehr Erdwerke als Siedlungen erfasst, insgesamt ca. 3000, zum überwiegenden Teil vmtl. neolithisch).

1985: Siebenmonatige Rettungsgrabung durch Kreisarchäologie Deggendorf, da Anlage besonders stark durch Erosion gefährdet (Maisanbau in Hanglage), mehr als 50% außerdem bereits durch Flurbereinigung in den 60ern zerstört

— > 8. 5600m2 archäologisch untersucht. Zusätzlich zum Luftbild extensive Magnetik vor der Grabung – gezielte Anlage von Grabungsschnitten ermöglicht (Petrasch 1991a, 8, Ders. 1991b, 32).

Hauptschwerpunkt Untersuchung der Gräben und der Kreisgrabenanlage.  Drei Grabenabschnitte mit 150m Gesamtlänge ergraben + Westtor und 1/3 der Innenfläche des Kreisgrabens erforscht [= angeblich der gesamte „noch grabungswürdige“ Teil] (Petrasch 1991a, 8).

In den Folgejahren Artikel hauptsächlich von Jörg Petrasch, UFG Tübingen (U. a. Diss. über mittelneol. Kreisgräben – Petrasch 1990).

  1. 2. Topographie der Fundstelle

Künzing-Unternberg, Ldkr. Deggendorf. Am Südrand des niederbayrischen Gäubodens, 15km von Isarmündung entfernt.

Fundstelle unmittelbar nördlich des modernen Dorfes Unternberg auf Südspitze eines NW-SO verlaufenden flachen Höhenrückens (durchschnittlich 10m über Donautal erhoben, schließt dieses Richtung Westen ab). Verzweigtes Flussbett ursprünglich vmtl. näher an der Fundstelle, heute reguliert und 4km entfernt — > verkehrsgeographisch günstige Position am Rand des Donautals!

FO im Westen und Süden vom Angerbachtal begrenzt, bei Sondierungen daselbst im feuchten Milieu mittelneol. Kulturschichtreste mit guter botanischer Erhaltung festgestellt, durch Drainagen heute entwässert. 60cm mächtige Torfschicht weist auf mooriges Gelände im Neol. hin.

Höhenrücken besteht aus sandigem Löß von mehreren Metern Mächtigkeit, im Neolithikum darauf noch fruchtbare Schwarzerde. Für den Ackerbau ideale Bedingungen, in umliegenden Niederungen ausgedehnte Auwälder mit teilweise recht großen Mooren, für Viehwirtschaft und Jagd (Rothirsch!) nutzbar (v.a. Petrasch 1991a, 6 u. 12).

  1. 3. Die Kreisgrabenanlage

3.1. Chronologische Entwicklung Teil 1

Petrasch geht davon aus, dass der „Gedanke, zentrale Orte durch eine Kreisgrabenanlage kenntlich zu machen“ im Bereich der Lengyel-Kultur entstanden ist (Mähren, NÖ, Südwestslowakei), da dort auch mglw. etwas ältere Anlagen mit nur einem Graben und geringerem Durchmesser von 40-70 m vorhanden. Idee wäre dann über OÖ oder Böhmen nach Niederbayern „importiert“ worden, in Analogie zu bemalter Importkeramik der Lengyel-Kultur aus Künzing-Unternberg, und zwar zu einem Zeitpunkt, als der Bautyp auch in der Lengyel-K. bereits voll entwickelt war (2 Gräben, größerer Durchmesser – in Südostbayern bisher keine Anlagen mit einfachem Graben) (Petrasch 1990b,  382f; Ders. 1991a, 22).

Typologisch anhand der Funde gehört die Kreisgrabenanlage von Künzing-Unternberg in einen voll entwickelten Abschnitt der Oberlauterbacher-Gruppe (=jüngere Stichbandkeramik, Stufe 4 nach Zápatocká, Typus Unterriesling), dürfte MBK 1a, also dem Gros der anderen Kreisgrabenanlagen, entsprechen (Petrasch 1990b, 375; Ders. 1991a, 15). Andere Epochen fehlen.

3.2. Grundform

Auf zum Strom hin auslaufender Geländezunge doppelte Kreisgrabenanlage mit Außendurchmesser von 110m und zweifacher konzentrischer Innenpalisade, 4 Eingänge (um etwa 20˚ zu den Haupthimmelsrichtungen verschoben, astronomische Deutungen nicht stichhaltig). An den Eingängen Innengraben mit dem Außengraben verbunden, dazwischen schmale Erdbrücken, darüber Torbau (Petrasch 1987, 26; Ders. 1991a, 6ff; Ders. 1991b, 32).

3.3. Die Gräben und ihre Verfüllung.

Bei den zwei Gräben der Kreisgrabenanlage handelt es sich um extreme Spitzgräben, Innengraben an besterhaltenster Stelle bei Ausgrabung noch 6m breit und 4m tief, wegen anzunehmender Erosion ursprünglich vmtl. sogar 5m tief.

Untere 1,5m lediglich 15 bis 30 cm breit(!), also außergewöhnlich schmal. Wegen konvexer Grabenwandung Boden des Grabens für Betrachter vor der Anlage nicht zu sehen, lt. Petrasch dadurch „endloser“ Eindruck entstehend. — > Äußere Wirkung offensichtlich wichtig. (Petrasch 1991, 8; Petrasch 1990b, 373).

Verfüllungsgeschichte:

Sehr rasche natürliche Sedimentation der Grabenspitzen – eingeschwemmtes Material von der Oberfläche und von den Seitenwänden. Hell-dunkle Abfolgen von teils sehr dünnen Schichten repräsentieren einzelne Regengüsse und Gewitter, aus vielen solchen Schichten zusammengesetzte Einzelpakete vmtl. jahreszeitliche Schwankungen. Kleine Lehmwülste von 1-2,5cm Länge, Dm < 0,5cm durch herabrinnendes Regenwasser entstanden. Weiters Einwehung von feinkörnigem Material feststellbar. Verfüllung der Spitzen so rasch, dass keine Bodenbildung stattgefunden, Gänge von Kleinsäugern in unterer Grabenverfüllung einzeln erkennbar und selten. (Kromer/Petrasch 1989, 232; Petrasch 1990, 463).

Zur Frage der Verfüllungsgeschwindigkeit: Während Ausgrabung in 3,5m Tiefe an einem einzigen Tag zwei dunkle und zwei helle Schichten – insgesamt 3 cm – eingeschwemmt. Petrasch rechnet mit 15 cm p/a, unterste 2m wären demnach spätestens nach 10 bis 20 Jahren verfüllt. Wasser im grobkörnigen Löß anfänglich rasch versickert, erst nach einiger Zeit Poren durch Kalkausfüllungen gefüllt –daher nur an wenigen Stellen ehemals stehendes Wasser bzw. Verspülungen anscheinend aus höheren bereits verfüllten Grabenbereichen feststellbar. Durch Abzählen der Schichten sowie durch Analyse der Funde verstrichene Zeit schätzbar. Rezente Experimente für Zeitschätzung weniger brauchbar (unterschiedliche Ergebnisse, außerdem Bodenbildung seit dem Neol. weiter fortgeschritten [Bildung von Tonmineralen, Grabenwände heute tendenziell stabiler, vgl. Petrasch 1990, 457]…). (Vgl. inbes. Kromer/Petrasch 1989,  235 und Petrasch 1990, 464).

Anscheinend ziemlich viel Wert auf Grabenspitzen gelegt, da selbige mehrmals erneuert (vmtl. alle 5-15 Jahre). Im Torbereich 4 Phasen, ansonsten zwei. Ursprünglicher Graben dabei nur unvollkommen wieder hergestellt, Spitzen bis zu 2m voneinander entfernt. Erneuerung in einzelnen, 3 bis 15m langen Einzelabschnitten (Enden genauso schräg wie die Grabenflanken), als Einteilung von Arbeitszeit zu interpretieren – ausgehend von den annähernd 2m hoch verfüllten (zu diesem Zeitpunkt Sohl-)Gräben. Da Erwachsener in Grabenspitze nicht stehen kann, wurde selbige vmtl. von jeweils noch etwas höher verfüllten Bereichen aus hergestellt.

Letzte Erneuerung nicht komplett ausgeführt, endet etwa 10m vom Westzugang entfernt etwa 1,3m über der vorhergehenden Spitze in einer knapp 1m breiten Sohle. Wichtige Erkenntnis: Instandhaltungsarbeiten plötzlich eingestellt – rasche natürliche Verfüllung des unteren Grabenteils. (Petrasch 1990b, 373).

Obere Grabenverfüllung: Homogeneres Schichtpaket, weniger feine Einzelschichten, sehr viele Tiergänge, die aber großteils nicht mehr einzeln kenntlich, vmtl. stärkere Bioturbation. Funde aus dieser Schicht machen etwas jüngeren Eindruck. Ursprünglich 2 Theorien zum offensichtlich anderen Verfüllungszeitraum: 1) Schlagartige intentionelle Verfüllung durch die Bewohner; oder 2) gegenüber unterer Grabenfüllung verlangsamte natürliche Sedimentation. Zur Klärung C-14 Analysen — >

3.4. Chronologische Entwicklung Teil 2 (C14, vgl. Petrasch/Kromer 1989)

Probenmaterial: Je 6 Hochpräzessionsmessungen an Tierknochen (ausgezeichnete Knochenkollagen-Erhaltung in Künzing-Untersberg) aus der unteren und der oberen Schicht. Doppelte Probenmenge und 6 statt 3 Tage gemessen, erstmalig Standardfehler <0,2% [Anm.: Damals noch keine AMS-Datierung!]. 1 Sigma=+/-35a.

Rohdaten: Signifikant unterschiedliche Werte der beiden Probengruppen.

Methodisch interessante Auswertung:

-50%-Niveau als Absolutannahme einer Zeitspanne herangezogen und Standardabweichung von 30-40a davon abgezogen — > Erneuerungs/Nutzungszeitraum der Kreisgrabenanlage (Untere Grabenverfüllung) damit auf etwa 60a zurechtmodelliert (4840-4780 v. Chr.), was 2 bis 3 Generationen entspricht.

-Absolutdatierung der oberen Grabenverfüllung: Erst 150 Jahre nach Aufgabe der Anlage abgeschlossen (4740-4590 v. Chr.), also nur mehr schätzungsweise 0,3cm Sediment p/a abgelagert.

-Absolutdatierung dreier Silogruben: Entsprechen der oberen Grabenverfüllung, die Siedlung hat also auch noch nach der Aufgabe der Kreisgrabenanlage über etwa 100-200 Jahre weiterbestanden.

Interpretation: Langsame natürliche Verfüllung des oberen Grabenteils, da selbiger ansonsten als eine der letzten Tätigkeiten vor Aufgabe der Siedlung zugeschüttet worden wäre, was keinen Sinn ergeben würde. Die Gräben waren also noch länger als flache Mulden zu sehen, die allmählich durch anfallenden Siedlungsmüll und durch die Erosion aufgefüllt wurden.

Eine ähnliche Einteilung in unterschiedlich schnell gebildete Verfüllungszonen wird auch für andere Kreisgrabenanlagen beschrieben (Trnka 1990, 222ff).

3.5. Architektur der Kreisgrabenanlage (Petrasch 1990, 471 ff)

Gräben und Palisaden: Entfernung der 2 Gräben etwa 10 m. Etwa 5,5m innerhalb des Innengrabens wahrscheinlich zugehörig zwei konzentrische Palisaden mit etwa 4,4m Abstand.

Verbleib der ausgehobenen Erde? Ungeklärt. Für Künzing-Unternberg keine Wallschüttung angenommen, durch Wall überdeckte Bereiche müssten wegen erhöhtem Kalkanteil angeblich Lößkindel aufweisen, Außenwall würde außerdem die Sicht verstellen.

4 Zugänge: Palisaden auf 1,5-2,5m unterbrochen, Erdbrücken stärker erodiert. Westzugang durch mglw. gleichzeitige Schlitzgrube in 2 Wege geteilt? Etwa 1,5m unter dem neolithischen Niveau der Erdbrücke jeweils 3 Pfostengruben in den Seitenflanken, zwangslos zu einem einen Teil der Bücke abdeckenden Torbau zu rekonstruieren. In gleicher Flucht zwischen Innengraben und Palisade noch 2 weitere Pfostengruben. Unterschiedliche Rekonstruktionsmöglichkeiten. Gesamtlänge des Zugangs mit den Erdbrücken 25 m.

Innenfläche: Wenige Gruben – kaum Aussage.

  1. 4. Die Kreispalisadenanlage

Im Inneren der Kreisgrabenanlage noch 3 weitere Palisadenringe, insgesamt also 5. Mehrere Indizien sprechen aber dafür, dass es sich um eine getrennte Bauphase handelt.

1. Abstand zwischen den beiden Außenpalisaden 4,4m; Abstand zwischen den Innenpalisaden 3,6m; dazwischen 9,1m Freiraum (auch im Vergleich mit anderen Anlagen ungewöhnlich großer Abstand, bei diesen außerdem nie mehr als 3 Palisaden Petrasch 1990b, 375f).

2. Abweichung der Torachsen um 2,5m.

3. Mittelpunkt um 10m verschoben.

Unklar ob die 3 Palisaden in sich gleichzeitig, aber jedenfalls vmtl. erst nach Aufgabe der Kreisgrabenanlage errichtet, da sie a) Gruben schneiden und von keinen solchen geschnitten werden und weil b) die Funde in der Kreisgrabenverfüllung zu den ältesten gehören [definitiv keine Funde der älteren und mittleren Stichbandkeramik]. Die Kreispalisadenanlage gehört also wahrscheinlich zur jüngeren Siedlungsphase (Kromer/Petrasch 1989, 235; Petrasch 1990, 487; Ders. 1990b, 377).

  1. 5. Die zugehörige Siedlung

Nordwestlich direkt an die  Anlage anschließend auf demselben Rücken mittelneol. Siedlungsgebiet.  Kreisgraben und Siedlung von zuerst von einem, in Ausbauphase dann von zwei (oder drei?) Gräben umschlossen. Im Vergleich zu den Kreisgräben weniger tief und breit, bislang keine Hinweise auf Palisaden oder Wälle, Spitzgrabenausführung ähnlich, Erneuerung gleichfalls abschnittsweise. Durchlässe in der Flucht mit Kreisgraben übereinstimmend. Lt. Petrasch mglw. eher symbolische Funktion, Abgrenzung des Siedlungsbereiches o. dgl. (Petrasch 1990b, 383; Ders. 2004, 298).

8 ha Gesamtfläche (2800m2 davon untersucht), 200×350m. Viele Grubenkomplexe, 11 Silogruben, Nordende eines typischen zweireihigen Hauses ausgegraben. Außerhalb des umwehrten Areals kaum Gruben (Petrasch 1987 , 26; Ders. 1991, 12). Eine der größten bekannten neolithischen Siedlungsflächen Bayerns, trotzdem geht Petrasch davon aus, das hier höchstens 100 Menschen gleichzeitig gewohnt (Petrasch 1991, 17).

  1. 6. Die Funde

Hoher Fundreichtum: 5000 Feuersteinartefakte (90% aus 5km entfernter Lagerstätte Flintsbach-Hardt, 10% Import, zb. von Abensberg-Arnhofen Petrasch 1985, 43); etwa 7000 Gefäßeinheiten; … im Rahmen von Dissertationen analysiert. Mglw. importierte Felssteingeräte. 10k Tierknochen – Hirsch>Rind>Haussschwein. Pflanzenreste: V.a. Einkorn+Emmer, Lein und Erbse (Petrasch 1991a, 12f 19, 26f).

Schmankerl: Knochengeräte (u.a. Gürtelhaken aus einem Langknochen); 7 rot-weiß bemalte Gefäße als Import aus dem Lengyel-Bereich (Transportbehälter? Mitgenommene Habe?); Spondylus-Perlen bzw. -halbfabrikat – Beziehungen zur Nordägäis (Petrasch 1985, 43; Ders. 1987, 32).

  1. 7. Siedlungsstruktur und Modellrechnung

Lt. Petrasch vmtl. nicht mehr als 100 Personen in der Siedlung, zur Sicherung der Ernährung logischerweise nicht jeden Tag Erdarbeiten möglich und Kinder, Kranke, Alte nicht beteiligt, daher für Berechnung von 10 Arbeitern aus der Siedlung ausgegangen, die 180 Tage pro Jahr an der Kreisgrabenanlage arbeiten konnten.

Für den Bau aller Gräben insgesamt 12.000m3 Erde bewegt, mit 1m3 pro Person und Tag gerechnet (Lockern mit Holzgeräten und Geweihhacken, ausheben, fortschaffen). Außerdem ca. 2100 Balken von etwa 5,5m Länge nötig für Palisaden und Torbauten, haben bis zu 500kg Gewicht und mussten aus gewisser Entfernung herbeigeschafft werden. Mit einem Balken lt. Petrasch schätzungsweise 10 Arbeiter einen Tag lang beschäftigt. Insgesamt würden diese Daten eine Bauzeit von 18 Jahren ergeben.

Nach Petrasch ist für das Neolithikum aber nicht mit einer soweit voraus planenden Bautätigkeit zu rechnen, ihm erscheint eine Bauzeit von nur einem einzigen Jahr realistischer. Dafür wäre aber eine 20fache Anzahl von Arbeitern nötig, es hätten sich also auch die umliegenden Siedlungen an der Errichtung der Kreisgrabenanlage beteiligt (Nach Petrasch 1991a, 15 ff; Petrasch 1998, 191).

Für die Untersuchung mittelneolitischer Siedlungsmuster Südostrand des niederbayrischen Gäubodens (zwischen Donau-, Vils- und Isartal) besonders geeignet, da vergleichsweise gut erforscht. Sechs bekannte, mglw. gleichzeitige Kreisgrabenanlagen annähernd gleichmäßig verteilt. Abstand nicht größer als 10 und nicht kleiner als 5 km. Petrasch versucht Einteilung in Siedlungskammern mit je einer Kreisgrabenanlage im Zentrum und naturräumlich gezogenen Grenzen. Größe der Siedlungskammern dabei jeweils mit Arbeitsaufwand der Kreisgrabenanlagen abgestimmt – Einzugsgebiete zwischen 30 und 100km2 (Künzing-Unternberg) Petrasch 1991b, 33.

Für die Gesamtfläche von etwa 500-700km2 dieser 6 Kreisgrabenanlagen rechnet Petrasch aufgrund des für selbige nötigen Arbeitsaufwandes mit einer Bevölkerung von 5000 bis 8000 Einwohnern. Diese würde auch ungefähr dem von Lüning für Lößgebiete angenommenen Besiedelungsfaktor von etwa 20 Personen/km2 entsprechen (Petrasch 1990b, 380).  Für die weilerartigen mittelneol. Siedlungen vermutet er im Schnitt 30-50 Einwohner, nur die Siedlungen mit Kreisgräben wären häufig größer. Insgesamt wäre mit diesen Parametern von 100-150 Siedlungen im Arbeitsgebiet der 6 Kreisgrabenanlagen auszugehen (Petrasch 1990, 508). Petrasch geht für diesen Bereich von einer im Wesentlichen vollständigen Bekanntheit der Kreisgräben aus, nimmt aber recht konkret für bestimmte Nachbargebiete mit ähnlichen Bedingungen weitere nicht entdeckte an. (Petrasch 1990, 510).

Die zentrale Stellung der zu den Kreisgräben gehörigen Siedlungen sollte eigentlich auch im Fundmaterial zu erkennen sein, das ist teils, aber nicht immer, auch tatsächlich der Fall, in Künzing-Unternberg etwa mit den Lengyel-Importen. Es gibt aber auch Kreisgräben ohne bekannte Siedlung (z. B. Eching-Viecht), für die Petrasch eine Errichtung an isolierter Stelle durch mehrere Siedlungen erwägt (Petrasch 1990b, 377). Bei Künzing-Unternberg steht die Zentralstellung wohl auch mit der Knollenhornstein-Lagerstätte Flintsbach-Hardt in Zusammenhang, die sich nur 5km entfernt, allerdings am anderen Donauufer, befindet. Nach Petraschs Aufstellung der Siedlungskammern müsste sie zum Einzugsgebiet von Künzing-Unternberg gehört haben, das demnach eine wichtige Rolle im überregionalen Silexhandel inne gehabt hätte (Petrasch 1991a, 18). Freilich gibt es auch mit Gräben bewehrte Siedlungen ohne Kreisgrabenanlage (Petrasch 1990b, 383).

  1. 8. Interpretation

Da die Funde in den Gräben nicht primär mit ihrer Bedeutung zu tun haben, und auch andere direkte Nachweise zur Funktion der Kreisgrabenanlagen fehlen, müssen die Interpretationen zur Funktion vor allem auf die architektonische Gestaltung Bezug nehmen. Eine fortifikatorische Bedeutung erscheint für Künzing-Unternberg genauso wie für die meisten anderen Kreisgrabenanlagen jedenfalls nicht gegeben: Die Zahl der Gräben und ihre Maße steigen mit dem Durchmesser an, was verteidigungstechnisch wenig Sinn ergibt, für den Betrachter aber repräsentativer aussieht. Außerdem sind die 4 Tore unpraktisch bei der Verteidigung und der freie Innendurchmesser eher gering. Kampfspuren (Skelettteile, Rotlehmbrocken, Häufung von Waffen) fehlen.

Auch die wirtschaftliche Bedeutung dürfte nicht immer gegeben sein, es dürfte sowohl hervorragende Siedlungsplätze ohne Kreisgrabenanlage als auch Kreisgrabenanlagen ohne größere Siedlung gegeben haben. (Petrasch 1998, 188 ff)

Es bleibt die Deutung der Kreisgrabenanlagen als zentralörtliche Versammlungsorte sozialen und/oder religiösen Charakters. Die Tatsache, dass nach der Aufgabe der Kreisgrabenanlage von Künzing-Unternberg an derselben Stelle eine Kreispalisadenanlage, also ein ähnliches Bauwerk, errichtet wurde, zeigt ein konservatives Element an. Solche sind besonders häufig im Bereich der Religion zu finden. Der Begriff „zentrales Heiligtum“ ist also durchaus plausibel. (Petrasch 1991a, 26; Petrasch 1998, 192).

Als Grund für die Errichtung der Kreispalisadenanlage anstatt der Kreisgrabenanlage (nur mehr ¼ des Zeitaufwandes) geht Petrasch von einem Arbeitskräftemangel aus, der verschiedenste Gründe, wie z. B. eine generelle Bevölkerungsabnahme oder eine Nahrungsmittelkrise gehabt haben könnte. Am einfachsten und wahrscheinlichsten erscheint ihm aber, dass sich die ursprünglich zum Einzugsgebiet von Künzing-Unternberg gehörigen Siedlungen aus ihrer „Abhängigkeit“ gelöst hätten. Auch die anscheinend recht plötzliche Aufgabe der Renovierungsarbeiten passt s. E. gut zu einem derartigen anthropogenen Ereignis (Petrasch 1991a, 26).

8.1. Hundebestattung (vgl. Petrasch 2004)

Im inneren Palisadengräbchen unmittelbar südlich des Durchlasses für den Nordwestzugang fand sich ein Hundeskelett, das ursprünglich vermutlich 1-1,5m tief hinuntergeworfen wurde, zu einem Zeitpunkt, als bereits mindestens ein Pfosten eingebracht war. Außerdem wurde noch der Eckzahn eines weiteren Hundes gefunden. Damit existiert eine starke Ähnlichkeit zu einem wahrscheinlich mit der Kreisgrabenanlage von Bucany (Südwestslowakei) gleichzeitigen Befund, einem Hund in einer eigenen Grube zwischen den Grabenzungen des dortigen Eingangs.

In Anbetracht der häufigen Sonderrolle des Hundes in seiner Stellung zum Menschen erscheint ein Opfer bzw. Bauopfer möglich, aber nicht zwingend, es könnte sich auch um eine „Tierbestattung“ etc. handeln. Aufgrund der Lage im Eingangsbereich denkt Petrasch an eine rituelle Handlung, bei der die Funktion der Hunde als Wächter im Vordergrund stand.

  1. 9. Persönliche Endnote

Finde seine Überlegungen größtenteils recht ansprechend und interessant, auch wenn es sich nur um Hypothesen handeln kann. Die statistischen Aussagen und Hochrechnungen schrammen natürlich an der Grenze des Machbaren dahin und sind vielleicht etwas überzeichnet, trotzdem erscheint mir seine grundsätzliche Theorie, dass bei der Errichtung der Kreisgrabenanlagen mehrere Siedlungen ihre Arbeitskraft gebündelt hätten, gut vorstellbar.

  1. 10. Verwendete Literatur (Wichtigste)

Kromer/Petrasch 1989: Aussagemöglichkeiten von 14C-Daten zur Verfüllungsgeschichte prähistorischer Gräben am Beispiel der mittelneolithischen Kreisgrabenanlage von Künzing-Unternberg, Ldkr. Deggendorf. Arch. Korrbl. 19, 1989, 231 ff.

Petrasch 1985: Rettungsgrabungen in der mittelneolithischen Kreisgrabenanlage bei Künzing-Unternberg, Arch. J. in Bayern 1985, 40 ff.

Petrasch 1987: Vorbericht über die Untersuchungen in der mittelneol. Kreisgrabenanlage bei Künzing-Unternberg, Ldkr. Deggendorf, Vorträge des 5. Niederbayr. Archäologentages, 1987, 24 ff.

Petrasch 1990: Mittelneolithische Kreisgrabenanlagen in Mitteleuropa. Ber. RGK 71, 1990, 407 ff.

Petrasch 1990b: Überlegungen zur Funktion neolithischer Erdwerke anhand mittelneolithischer Grabenanlagen aus Südostbayern. In: Befestigte neolithische und äneolithische Siedlungen und Plätze in Mitteleuropa. Elbingerode 7.-11.11.1988, Jschr. mitteldt. Vorgesch. 73, 1990, 369 ff.

Petrasch 1991: Die jungsteinzeitliche Kreisgrabenanlage von Künzing-Unternberg, Archäologische Denkmäler im Landkreis Deggendorf 6, 1991.

Petrasch 1991b: Neolithische Erdwerke in Südbayern. Arch. Deutschland 4, 1991, 30 ff.

Petrasch 1998: Graben- und Palisadenanlagen (Erdwerke), in: Das Neolithikum in Mitteleuropa. Kulturen – Wirtschaft – Umwelt vom 6. bis 3. Jahrtausend v.u.Z. Übersicht zum Stand der Forschung (hrsg. J. Preuß), Band 1/1, Teil A: Das Neolithikum in Mitteleuropa, Weißbach 1998, 187 ff.

Petrasch 2004: Von Menschen und Hunden: Befunde aus Kreisgrabenanlagen der Oberlauterbacher Gruppe und der Lengyel Kultur und deren Interpretationen. In: E. Studeníková u. B. Hänsel (Hrsg.), Zwischen Karpaten und Ägäis: Neolithikum und ältere Bronzezeit. Gedenkschrift für V. Nemejcová Pavúková. Internat. Arch., Stud. Honoraria 21 (Rahden/Westf. 2004) 295 ff.

Trnka 1990: Zum Forschungsstand der mittelneolithischen Kreisgrabenanlagen in Österreich, Jschr. mitteldt. Vorgesch. 73, 1990, 113 ff.

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