Jakob Maurer
Seminar 2010 1. Definition a. Forschungsgeschichte Der Beginn der Erforschung des griechischen Neolithikums ist eng mit der Person von Christos Tsountas verknüpft. In den Jahren zwischen 1899 und 1906 wurden von ihm großflächige Ausgrabungen in Sesklo und Dimini durchgeführt und eine erste Fundstellenliste erstellt. 1908 erfolgte eine umfangreiche Publikation (in griechischer Sprache). In den darauffolgenden Jahrzehnten fanden weitere Forschungen hauptsächlich im Rahmen von mykenischen, minoischen und klassisch-antiken Grabungen statt.[1] b. Die Einteilung des griechischen Neolithikums Für die Definition des griechischen Neolithikums sind zwei wichtige Publikationen der Jahre 1947 und 1954 von Saul Weinberg zu nennen, in denen erstmals auf der Grundlage von Ausgrabungsbefunden die Einteilung in ein Früh-, ein Mittel- und ein Spätneolithikum (FN, MN, SN) fixiert wurde. Für den thessalischen Raum geschah die Weiterentwicklung dieses Systems vor allem durch Vladimir Milojčić und Dimitris Theocharis, worauf ich bei der Besprechung der dafür ausschlaggebenden Fundstellen Bezug nehmen werde. [2] Für dieses Referat möchte ich die „traditionelle“ „thessalische“ Einteilung von Weinberg beibehalten, werde aber zusätzlich zum Mittelneolithikum auch noch auf den Zeithorizont des beginnenden Spätneolithikums näher eingehen, auf die sogenannte „Tsangli-Larissa-Stufe“. Von einiger Wichtigkeit ist die Feststellung, dass dieses Chronologiesystem nicht mit denjenigen korreliert, die in den umliegenden Ländern zur Anwendung kommen. So ist das MN der Türkei etwa deutlich älter, während das MN am Balkan dem frühen griechischen Spätneolithikum entspricht. Auch im griechischen Norden und auf der Inselwelt kommen andere Chronologiesysteme zum Einsatz, etwa für Euboia, da dort von A. Sampson zwischen der Zeit des Festland-FN und MN kein Bruch festgestellt werden konnte. Für Makedonien existiert eine alternative Chronologie von J.-P. Demoule, die sich am Neolithikum des Balkans orientiert. Das thessalische MN zählt in diesem System noch zum FN und als MN wird die frühe Stufe des thessalischen SN, die Tsangli-Larissa- bzw. die Arapi-Stufe, bezeichnet.[3] c. Die Definition des griechischen Mittelneolithikums Die Definition des griechischen Mittelneolithikums ist unter heutigen Gesichtspunkten problematisch. Im Prinzip handelt es sich um eine Stufengliederung anhand der Keramik. Zwischen den diversen Formen von FN-MN-SN lassen sich in vielen Fällen Kontinuitäten erkennen, die ausgeprägte kulturelle Brüche, die die Grundlage für eine sattelfeste Epochengliederung liefern würden, unwahrscheinlich machen. Die Keramiktraditionen des Frühneolithikums werden weitergeführt, teilweise ist dabei eine gewisse Regionalisierung von Stilrichtungen festzustellen. Von Westmakedonien bis Thessalien ist die Rot-auf-weiß bemalte Sesklo-Ware dominant, in Südgriechenland die Urfirnis-Ware. Die Subunterteilung des thessalischen Mittelneolithikums basiert vor allem auf den Ergebnissen von Otzaki (siehe dort). [4] d. Die Absolutdatierung des griechischen Mittelneolithikums Mit einer Zeitdauer von etwa 500 Jahren von etwa 5800 bis 5300 cal BC ist das griechische Mittelneolithikum relativ kurz, jedenfalls kürzer, als von der Forschung vor der Einführung der 14C-Datierung angenommen worden war. Das Spätneolithikum deckt im Vergleich dazu eine wesentlich längere Zeitspanne ab und wird deshalb in zusätzliche Perioden unterteilt.[5] Die Absolutchronologie des griechischen Neolithikums wird von einer gewissen Anzahl von 14C-Daten durchaus plausibel untermauert, wobei allerdings von A. Reingruber in ihrer neuen Publikation für Otzaki etwas höhere Daten angegeben werden. Anscheinend deshalb, weil sie die cardiumverzierte Keramik (Vorsesklo-Stufe) bereits dem MN zurechnet.[6] Die exakte Definition des griechischen Mittelneolithikums ist also nach wie vor als ein umstrittenes Desiderat der Forschung zu verstehen. 2. Wichtige Fundstellen In dieser Arbeit werden insbesondere Kulturerscheinungen des griechischen Festlandes behandelt. Regionen, von denen keine Fundstellen vorgestellt werden, sind etwa die Kykladen[7] (unklar, ob im MN überhaupt permanente Besiedelung vorhanden), Kreta und Ostmakedonien (Paradimi-Gruppe[8]). a. Sesklo I-III i. Forschungsgeschichte, Lage, Bedeutung, Situation Die eponyme Tell- und Flachsiedlung der mittelneolithischen Sesklo-Kultur war während verschiedenen Epochen des Neolithikums bewohnt und befindet sich auf einer tertiären Terrasse über der Küstenebene von Volos. Es handelt sich um eine von vielen kleine Flussläufen und saisonalen Bächen überzogene Region mit guten Böden. Der Tell mit einer Schichtenfolge von 8,5 m befindet sich zwischen zwei derartigen Gerinnen, weshalb durch Erosion ein Teil von ihm der Forschung verlustig gegangen ist. Sowohl das Hinterland mit größeren Hügeln als auch die Küstenebene sind von Sesklo aus gut zu erreichen. Das Meer ist weniger als eine Wegstunde entfernt.[9] Erste Ausgrabungen im Tell wurden von Chr. Tsountas zu Beginn des 20. Jh. durchgeführt (Tsountas 1908), wobei Sesklo –ein Eckpfeiler der griechischen Neolithforschung – damals als Tellsiedlung mit einer Ausdehnung von ca. 0,5 ha beschrieben wurde. Weitere Forschungen im Tell fanden zwischen 1956 und 1970 unter der Ägide von D. R. Theocharis statt. Auch nach seinem Tod 1977 gab es vereinzelte Untersuchung in reduziertem Umfang. Bis jetzt gibt es in Thessalien keine andere Siedlung, die derart großflächig ausgegraben wurde (bislang ca. 4500 m2). Besonders überraschend waren die Ergebnisse von Grabungen, die in den Jahren 1971 bis 1977 das flache Land im Westen außerhalb des Siedlungshügels („Sesklo A“) unter die Lupe nahmen. Es konnte festgestellt werden, dass auch im Gelände außerhalb des Tells Siedlungsstrukturen vorhanden waren, die als „Sesklo B“ bezeichnet werden. Diese Situation (Tell + Flachlandsiedlung) ist für das griechische Mittelneolithikum bislang einzigartig, was aber auch damit zusammenhängen könnte, dass sich die Forschungen traditionell auf markante Siedlungshügel und nicht auf deren Umfeld konzentrieren. Die Frage, wie diese Siedlungskonstellation zu beurteilen ist, hat im Lauf der Zeit Anlass zu einigen Diskussionen gegeben. Vom Ausgräber Theocharis wurde Sesklo A als „Akropolis“ und Sesklo B als „Polis“ bezeichnet, wobei es sich dabei aber um eine jüngere Form der städtischen Organisation handelt, die nicht zuletzt aufgrund der damit verbunden rechtlichen und sozialen Differenzierungen in dieser Form wohl nicht ins Neolithikum zurückprojiziert werden kann. Er vermutet dabei eine Einwohnerzahl von mehr als 3000 Menschen, während andere Forscher eher an einige hundert Bewohner glauben. Neuere Analysen, die unter anderem von Kotsakis durchgeführt wurden, gehen hingegen von zwei Siedlungen unterschiedlichen Typs aus. Der Tellsiedlung Sesklo A mit ihrer konzentrierten Schichtenfolge steht die Flachlandsiedlung Sesklo B gegenüber, bei der es sich eher um eine Streusiedlung mit dazwischenliegendem Nutzland und temporären und lokalen Verschiebungen handeln dürfte. [10] Die Stratigraphie des mittelneolithischen Sesklo lässt sich in vier Hauptphasen unterteilen (I, II, IIIA, IIIB). Am Ende von Phase IIIB wurden beide Siedlungen durch ein großes Brandereignis zerstört – die Befunderhaltung ist dementsprechend exzeptionell![11] Bei der Suche nach Unterschieden zwischen Tell und Flachsiedlung hilft uns vor allem die Betrachtung der Bauformen. ii. Zur Siedlungsstruktur von Sesklo A Die Tellsiedlung Sesklo A war im Mittelneolithikum von einer Mauer umgeben, wobei es sich dabei um eine Stütz- und nicht um eine Befestigungsmauer handeln dürfte, wie sie auf früheren Rekonstruktionen dargestellt wurde.[12] Die Hausbauten wurden meist in ähnlicher Form an ungefähr derselben Stelle wie in der jeweils vorangegangenen Bauphase errichtet (Z. B. Serien Haus 11-12-50 bzw. Haus 7-8-9).[13] iii. Zur Siedlungsstruktur von Sesklo B … In der Flachlandsiedlung Sesklo B lässt sich eine andere Strategie erkennen. Wenn ein altes Gebäude unbrauchbar geworden war, wurde es an einer anderen Stelle neu errichtet. Umfassungsmauern oder –gräben sind nicht festzustellen. Die Hausabfolgen befinden sich nebeneinander anstatt übereinander. Die Häuser wurden eng aneinander gebaut, wobei aneinandergrenzende Bauten teilweise gemeinsame Mauern aufweisen. Bei den Häusern handelt es sich um ein bis zweiräumige Bauten quadratischer bis rechteckiger Form, die sich in Cluster aufteilen lassen. Die Cluster bestehen typischerweise aus einem Hof, zwei bis drei kleineren Rechteckbauten sowie aus einem Haus mit Innenpfeilern und wurden vermutlich jeweils als Einheit errichtet. Von K. Kotsakis konnte auch die chronologische Reihenfolge herausgearbeitet werden (Cluster 1 – Cluster 3[?] – Cluster 2).[14] iv. … und zurück zu Sesklo A Bei der Anwendung dieser Ergebnisse von Sesklo B auf Sesklo A konnte von Kotsakis auch in der Tellsiedlung eine gewisse Clusterung der Gebäude festgestellt werden. Die Gebäude sind nicht so eng aneinandergebaut wie in der Flachlandsiedlung, es scheint aber sehr wohl Gruppierungen von Häusern zu geben, von denen einzelne Innen- oder Außenpfeiler aufweisen. Es lassen sich demnach sowohl für die Tell- als auch für die Flachsiedlung ähnliche organisatorische Grundeinheiten vermuten.[15] v. Architektur und Innenleben Von der ergrabenen Siedlungsfläche von Sesklo (4500 m2) waren ca. 1050 m2 ehemals überdacht und es scheint, als wäre auch den offenen Flächen zwischen den Häusern eine wichtige Rolle zugekommen. Auch deshalb, weil verschiedene Plätze zwischen den Häusern angeblich genauso sorgfältig gepflastert waren wie die Innenräume. Die Benutzungsoberflächen dürften im Zuge ihrer Aufgabe gezielt geräumt worden sein.[16] Die Häuser sind zumeist quadratisch und einräumig, seltener auch länger und mehrräumig. Ihre Innenfläche liegt zwischen 10 und 50 Quadratmetern. Sie bestehen aus Lehmziegelwänden, die auf Steinfundamenten errichtet wurden. Die Wände wurden im Lauf der Benutzung oft mehrmals neu verputzt, möglicherweise waren sie ursprünglich auch bemalt. Die Steinfundamente waren oft zusätzlich von aufrecht stehenden Steinplatten begrenzt. Einige Häuser besitzen interne oder externe Stützpfeiler, möglicherweise handelt es sich dabei um einen Hinweis auf eine ehemalige Zweistöckigkeit. Ihre Böden waren unterschiedlich gestaltet, neben Stampflehm wurden Kieselsteinpflaster oder flache Steinplatten als Belag eingesetzt.[17] In den Häusern sind, vor allem durch die Erhaltungsbedienungen der abgebrannten Phase, verschiedene Aktivitätszonen erkennbar (Food processing area, sleeping area, Bereich für Vorratshaltung). Erhobene Steinplattformen in den Ecken der Gebäude wurden wahrscheinlich zum Schlafen genutzt und auch bei anderen Zonen mit Kieselböden handelt es sich möglicherweise eher um Schlafbereiche, während in den flach gepflasterten Bereichen gearbeitet worden sein dürfte. Verschiedene flache Steine könnten unter Umständen von abgestürzten Regalen oder ähnlichen Einbauten herrühren. Im Gegensatz zu den Schlaf- und Lagerbereichen dürften sich die Arbeitsbereiche eher im Zentralbereich der Häuser befunden haben. So konnten etwa rechteckige Stein- und Lehmherde ausgegraben werden, auf denen Kochtöpfe und rundherum halbkreisförmig weitere Gefäße, Handmühlen und sonstige Geräte platziert waren.[18] Besonders auffällig ist das kleinste vorhandene Gebäude, Haus 37. Es besitzt zwei vorgebaute Schutzdächer, drei Eingänge und in der Mitte einen Herd. Vielleicht besaß es eine rituelle oder symbolische Funktion, vielleicht handelte es sich um einen „kommunalen“ Bau. Parallelen lassen sich noch am ehesten bei Hausmodellen dieser Zeit finden.[19] An Sonderfunden sind Siegel aus Ton zu erwähnen, die mitunter als Zeichen kommunaler Autorität gedeutet werden. [20] M. E. dürfte es sich aber eher um Stempel für die Körper- oder Textilbemalung handeln, wie sie in der Urgeschichte weltweit immer wieder vorkommen. Weiter gibt es Statuettenfragmente mit mandelförmigen Augen und Schleudersteine.[21] Bei der Analyse der Keramikverteilung innerhalb der mittelneolithischen Siedlung von Sesklo zeigen sich mögliche Unterschiede, die auf soziale Differenzierung hindeuten könnten. In Sesklo A ist der Anteil von bemalter Keramik höher und selbige soll auch härter, also besser gebrannt sein.[22] Das wäre ein interessantes Ergebnis, es sollte m. E. aber bedacht werden, dass diese Beobachtung unter Umständen auch auf unterschiedliche Erhaltungsbedingungen zurückgeführt werden könnte. Im Flachland, wo die Schichten von weniger Sediment überlagert sind, könnte der kalkige Anteil der Keramik eventuell stärker gelöst und die Bemalung häufiger vergangen sein. vi. Einschub Keramikentwicklung Da er der Sesklo-Kultur seinen Namen gegeben hat, möchte ich bei diesem Fundort erstmals die neolithische Keramikentwicklung Thessaliens vorstellen. Charakteristisch für das Frühneolithikum ist die monochrome Ware, mit der Protosesklo-Stufe tritt die erste bemalte Ware auf (etwa weiße Bemalung). Die Cardium-Verzierung ist für die Präsesklo-Stufe typisch.[23] Auch im MN ist natürlich weiterhin ein hoher Prozentsatz der Keramik monochrom, zur Leitform wird aber die rot-auf-weiß-bemalte Ware, die in unterschiedlichen, teilweise chronologisch zu wertenden Ausprägungen vorhanden ist (Linearstil, Flammenstil, Zackenstil, ausgewischte Ware, etc.).[24] Am Umbruch zum Spätneolithikum kommt es zu einer Veränderung der Keramik. Die neuen Produkte sind meist dunkler gefärbt als im Mittelneolithikum (reduzierender Brand) und auch der Dekor ändert sich.[25] b. Otzaki Die Otzaki-Magula in Ostthessalien ist ein weiterer Siedlungshügel mit mittelneolithischen Befunden. Es handelt sich um einen flachen Hügel von etwa 300 m Durchmesser und einer Höhe von bis zu 5 m. In seiner Umgebung befindet sich eine ganze Anzahl weiterer wichtiger Fundstellen (u. a Argissa Magula und Souphli Magula).[26] Otzaki ist wesentlich für die Keramikchronologie der Sesklo-Kultur, die anhand dieses Fundortes in 3 Stufen eingeteilt wurde (Sesklo 1 bis 3). Gelungen ist das aufgrund von neuzeitlichen Festungsbauten, die den Hügel stark beschädigt und an unterschiedlichen Stellen Schichtpakete verschiedenen Alters zugänglich gemacht haben. In zwei Kampagnen wurde in den 50er Jahren von V. Milojcic ein Grabungsschnitt über diese Störungen angelegt. Aus seinen 3 Teilabschnitten konnte ein Gesamtprofil erstellt werden. Anhand dieser Schichtenfolge wurde in weiterer Folge die Phasengliederung der thessalischen Keramikchronologie definiert, nicht nur der mittelneolithischen Sesklo-Kultur, sondern auch der frühneolithischen Proto- und Präsesklo-Stufe. Die mittelneolithischen Befunde kamen in den Flächen 1 und 2 zu Tage. [27] In den obersten Schichten des MN, die möglicherweise noch der späten Sesklo-Kultur zuzuweisen sind (ausgewischte Ware – aus dem flüssigen Überzug wurden Streifen ausgewischt), wurden neben Hinweisen auf einen großen Pfostenbau auch bogenförmig angelagerte Brandschuttreste aufgefunden, die von Milojcic – etwas fragwürdig – als leichte Rundhütte gedeutet werden.[28] Darunter konnte ein Lehmziegelbau ergraben werden, der zweimal an derselben Stelle errichtet worden war. Eine Holzkonstruktion auf der Außenseite dürfte vielleicht eine Art Rahmenwerk darstellen. Es handelt sich um ein 13 m breites und 8 m langes Haus mit Lehmboden und einer viereckigen Feuerstelle im Inneren. Es gehört in die Zeit der späten Sesklo-Kultur (ausgewischte und rot-auf-weiß bemalte Ware, einstichverzierte Ware).[29] In den Plana darunter bot sich wieder ein ganz anderes Bild, nämlich die Reste von kleineren zweiräumigen Häusern. Sie waren gleichfalls aus bis zu 40×50 cm großen Lehmziegeln errichtet worden. Aufgrund von vorgelagerten Pfosten ist denkbar, dass sie mit einem megaronartigen Vorbau versehen waren. Auch in den weiteren Bauphasen der frühen und mittleren Sesklo-Kultur sind hauptsächlich Lehmziegelbauten zu finden, wobei in zwei Phasen im Hausinneren pfeilerartige Wandvorlagen festzustellen sind. Es handelt sich jedenfalls um tragende Konstruktionen, da in ihrer Flucht Holzpfosten in den Boden eingelassen waren. Zu überlegen ist, ob es sich bei den Pfeilern um einen Hinweis auf eine zweistöckige Bauweise handeln könnte.[30] Selbige ist anhand von mittelneolithischen Hausmodellen eindeutig nachzuweisen, so gibt es etwa aus Nikaia ein Modell mit Lichtöffnungen im oberen Stockwerk und einer megaronartigen Vordachkonstruktion. [31] Charakteristisch sind für Otzaki unter anderem im Süden gelegene Eingänge mit Schwellensteinen aus abgenutzten Handmühlen. Mehrmals werden auch an die Wände gelehnte Reibplatten erwähnt.[32] In einem Fall könnte eine begleitende Mauer eine Grundstücksbegrenzung sein. Die weitgehende Bauplatzkontinuität lässt für Otzaki eine grundstückartige Besitzeinteilung vermuten.[33] Ab der mittleren und vor allem in der späten Sesklo-Kultur steigt bei der bemalten Keramik der Anteil der ausgewischten Verzierungen.[34] c. Achilleion Ein weiterer Fundort in Thessalien ist Achilleion. Er liegt ca. 30 bis 40 km südlich von Otzaki. Es handelt sich um einen früh- und mittelneolithischen Tell, an einem kleinen Fluss auf einer natürlichen Erhebung über der Ebene, mit einer Ausdehnung von ca. 200×260 m.[35] Verschiedene Grabungskampagnen unter der Leitung von M. Gimbutas und D. Theocharis, insbesondere in den Jahren 1973 und 1974, lieferten mit 4 Quadranten sowie weiteren Testschnitten eine komplette stratigrafische Sequenz vom Frühneolithikum bis in die klassische Sesklo-Zeit. Die bemalte Keramik tritt mit der Protosesklo-Stufe erstmals auf.[36] In der ältesten festgestellten Phase des MN diente der Bereich des Schnittes anscheinend zur Abfallentsorgung und es konnte keine Bebauung festgestellt werden, was durchaus logisch erscheint, da scharfkantige Silexreste vor der Behausung für die neolithischen Bewohner wohl zu schmerzhaften Erlebnissen geführt hätten.[37] In der ersten Phase mit Bebauung wurde ein Pfostenhaus mit einem Herd an seiner Nordseite errichtet. Im Nordosten des Schnitts befand sich eine Konzentration von weiteren Herdstellen, die aufgrund ihrer Größe vermutlich gemeinschaftlich und nicht nur von den Bewohnern des Pfostenbaus genutzt wurden. Meines Erachtens ist diese Interpretation plausibel. Eine Steinmauer(?) könnte eventuell zur Abgrenzung von Pfostenbau und Herdstellen gedient haben. Ein ähnlich gedeuteter Herdbefund der nächsten, mit Steinen gebauten Phase ist noch außergewöhnlicher. Es handelt sich um eine ungewöhnliche, schräg abfallende Plattform aus Stein und Lehm mit vier kieselverkleideten Feuerstellen, in jeder Ecke eine. In der Nähe wurden neben Handmühlen auch Figurinen gefunden. Daneben befand sich ein Kuppelofen mit Arbeitsplattform, der von der Ausgräberin allerdings als Altar bezeichnet wird, da darauf Figurinen platziert gewesen sein sollen. In einer nahegelegenen Grube wurde ein ungewöhnlich hoher Anteil weißbemalter Gefäßkeramik aufgefunden. [38] In der nächsten Phase wurden wiederum sowohl das Gebäude als auch der Herdstellenbereich verlagert – ähnlich wie in Sesklo B wurde die neuen Häuser neben und nicht über ihren Vorläufern errichtet. Anscheinend war das Platzangebot auf dem Siedlungshügel dafür ausreichend. Auch für diese Phase wird eine Lehmbank mit Kultgefäßen und Figurinen geschildert.[39] Meines Erachtens sind die Publikation der Befunde und die darauf aufbauende Deutung gelinde gesagt problematisch. So ist zu attestieren, dass zwar viele Rekonstruktionszeichnungen und isometrische Ansichten vorhanden sind, selbige aber nur sehr wenig darüber aussagen, was in welcher Form tatsächlich gefunden wurde. Mehrmals wird etwa erwähnt, dass die Häuser am Ende ihrer Lebensspanne relativ sauber ausgeräumt wurden. Trotzdem werden diverse Funde ohne nähere Ausführung als in-situ-Deponierungen(?) vorgestellt und es wird nicht darauf eingegangen, warum es sich nicht um verlagerten Planierungsschutt handelt. Als Konstruktionselement im Bodenbereich sind anhand von Abdrücken Schilfmatten nachzuweisen. Auch in den Häusern sind verschiedene Formen von Innenunterteilungen nachzuweisen. Bei einer Steinbank könnte es sich m. E. vielleicht eher um eine Schlafgelegenheit handeln als, wie das von Gimbutas angedeutet wird, um einen monströsen Altar in einem Tempel.[40] Der Kuriosität halber möchte ich auch die relativ ungewöhnliche Statuettentypologie erwähnen. Besonders auffallend ist der Typ der „frog goddess of regeneration“.[41] d. Franchthi-Höhle und Paralia Die wichtigste Stratigrafie für Südgriechenland bieten die Ausgrabungen in und vor der Franchthi-Höhle im Osten des Peloponnes. Heute handelt es sich um eine unmittelbar am Meer gelegene Fundstelle, in der Prähistorie war das aber nicht immer der Fall. Im Neolithikum lag der Meeresspiegel wahrscheinlich 7 bis 20 m unter dem heutigen Niveau und es ist daher gut möglich, dass ein Teil der Siedlungsfläche mittlerweile unter dem Meeresspiegel liegt.[42] Die Fundstelle ist auf zwei Bereiche aufgeteilt, einerseits auf die Höhle selbst und andererseits auf den flachen Bereich vor der Höhle, die sogenannte Paralia. Grabungen fanden von 1967 bis 1979 in beiden Arealen statt, zusätzlich wurden auch Unterwasserbohrungen durchgeführt.[43] Sowohl die Paralia als auch die Höhle wurden bis zum MN benutzt. Am Ende des MN wurde die Besiedelung der Paralia aufgegeben, vielleicht wegen des steigenden Meeresspiegels oder wegen des Einsturzes eines Teils des Höhlendaches.[44] Aus der beeindruckenden Stratigrafie der Höhle konnte eine große Menge Fundmaterial geborgen werden – vor allem Keramik, deren Gesamtgewicht etwa zweieinhalb Tonnen ausmachen dürfte (ca. 1 Million Fragmente).[45] Mittelneolithische Baureste konnten nur auf der Paralia festgestellt werden, es handelt sich um diverse Stützmauern und einen rechteckigen Grundriss (Steinfundament mit Pisé-Mauerwerk), der möglicherweise dem MN zuzurechnen ist. Molluskologische Untersuchungen weisen darauf hin, dass der Platz ganzjährig besiedelt war.[46] Zwischen den Baustrukturen des MN konnten einige früh-mittelneolithische Bestattungen, mehrere Säuglinge, aber auch eine junge Frau, entdeckt werden.[47] Sie sind besonders deshalb interessant, weil aus dem MN insgesamt nur sehr wenige Bestattungen bekannt sind. Auch im Bereich der Höhle kamen viele verstreute Skelettteile zum Vorschein – vermutlich die Hinterlassenschaften einer sekundären Bestattungssitte.[48] Wesentlich ist die Keramikchronologie von Franchthi: In der Phase FCP1 handelt es sich zum größeren Teil um monochrome, aber auch um rotbemalte Gefäße mit einfachen linearen Mustern aus kalk- bzw. sandhältigem Ton.[49] Die Phase gehört nach Einschätzung von A. Reingruber bereits in das Mittelneolithikum, das bei ihr relativ früh beginnt. Bis jetzt wurde diese Phase aufgrund eines problematischen 14C-Datums augenscheinlich um einige hundert Jahre zu früh datiert, Reingruber geht davon aus, dass sie erst nach 6000 cal BC begonnen hat.[50] Die zweite Phase wird durch das Einsetzen der sog. Urfirnis-Ware charakterisiert, die den Hauptanteil der Keramik ausmacht. Es handelt sich um eine sehr spezifische Keramikgattung mit einer außergewöhnlichen, hellen Oberfläche, die sich von der bemalten Ware des thessalischen MN deutlich unterscheidet. Bei der Herstellung dieser Ware wird auf dem hellen Gefäßkörper eine Farbe aufgetragen, die wahrscheinlich aus einer feinen Lehmsuspension und Asche bestand. Aufgrund der feinen Partikel sintert diese Farbe beim Brand auf den Gefäßkörper auf. [51] Von K. Vitelli wurden umfangreiche Untersuchungen zur Keramik aus der Franchthi-Höhle durchgeführt, die interessante Ergebnisse erbracht haben. In der Anfangsphase der Verwendung von Urfirnis wurde die Technik anscheinend noch nicht so gut beherrscht und die Motive zeigen staubig-rote, orange-grüne oder matt-schwarze Verzierungen. Häufig sind reduzierende, beim offenen Brand entstandene Flecken auf der Gefäßoberfläche vorhanden. Die weitere Entwicklung führt zu einem einheitlicheren Brand mit einem glänzenden, schlussendlich fast metallisch glänzenden Farbauftrag. Anscheinend war dieser Effekt gewünscht und es wurde bewusst weiterexperimentiert, um ihn zu verstärken. So wird etwa in der jüngeren Keramik eine feinere Karbonatmagerung eingesetzt, die zu größerer Härte und stärkerem Glanz verhilft. Die Gefäße werden nun ineinander gestapelt, damit sie weniger stark dem direkten Feuer ausgesetzt sind. Die Brandführung war zumindest dreiteilig mit einer zuerst oxidierenden, dann reduzierenden und zum Schluss wieder oxidierenden Atmosphäre.[52] Am Ende der Laufzeit der Urfirnis-Ware zeigt sich ein technisch ausgefeiltes Produkt, das aber nur mehr relativ schlampig verarbeitet wird.[53] Es scheint, als hätte sich die Wertschätzung verschoben, vielleicht war die Produktion von Urfirnis nicht mehr innovativ genug. Aus der Höhle gibt es auch eine Anzahl von Statuetten mit Bemalung.[54] e. Agios-Petros Agios-Petros ist eine winzige vorgelagerte Insel in einer Bucht der Hauptinsel Kyra Panaghia der nördlichen Sporaden. Vor dem Anstieg des Meeresspiegels war sie mit selbiger verbunden, weshalb im MN wahrscheinlich mehr Flächen für Landwirtschaft zur Verfügung standen als heute. Ausgrabungen fanden zwischen 1969 und 1981 statt. Die festgestellten Baureste sind spärlich und konnten von A. Sampson nicht zu gesicherten Grundrissen ergänzt werden, es handelt sich um Steinlagen von Rechteck-, aber auch von Rundbauten.[55] Eine abnorme Fundmenge von Beingeräten fand vermutlich für einen speziellen Zweck, vielleicht bei der Reparatur von Netzen, Verwendung.[56] Die Keramik ermöglicht spannende Aussagen. Vorhanden ist bemalte Ware mit roter oder bräunlicher Farbe auf hellem Grund, die mit der Sesklo-Kultur vergleichbar ist. Eigenständig sind aber die sehr feinen linearen, geometrischen Motive der Bemalung. Und auch die für Agios-Petros typischen karinierten Schüsselformen kommen am Festland zu dieser Zeit laut dem Bearbeiter Efstratiou nicht vor. Sehr viel mehr könnten über diese Schüsselform deutliche Verbindungen nach Kleinasien, also Richtung Osten, aufgezeigt werden.[57] Auf dem griechischen Festland sind karinierte Profile etwa bei Fußschüsseln aus Franchthi[58] und bei Schüsseln aus Sitagroi zu finden.[59] Möglicherweise sind diese Funde aber jünger als die Schüsseln von Agios Petros. f. Zyklopenhöhle, Youra Auf der Nachbarinsel von Kyra Panaghia, Youra, befindet sich in der sogenannten Zyklopenhöhle eine weitere vergleichbare Fundstelle. In der Höhle konnten bei Grabungen umfangreiche Keramikablagerungen des MN festgestellt werden, und zwar im dunklen, hinteren Bereich. Über den spezifischen Grund, warum die Keramik dort deponiert wurde, kann nur gerätselt werden.[60] Ähnlich wie auf Agios-Petros handelt es sich um auffallend qualitätsvolle Rot-auf-weiß bemalte Ware. Die früh- und mittelneolithische Ware lässt sich auf den Nördlichen Sporaden nicht gut voneinander trennen, es tritt aber auch impressoverzierte Keramik auf, weshalb der Fundplatz in das frühe Mittelneolithikum zu stellen sein dürfte. Ein vorhandenes Radiokarbondatum (58. bis 57. Jhdt. cal BC) würde zu dieser Einschätzung passen.[61] Diese gewisse kulturelle Eigenständigkeit unter Inkorporierung verschiedener Einflüsse dürfte für die Nördlichen Sporaden charakteristisch sein. Es sind aber nur die zwei genannten Fundorte bekannt, die gemeinsam die „Agios-Petros-Kultur“, oder nach Sampson, die „Youra-Kyra Panaghia-Kultur“[62] bilden. g. Servia Servia war ein Siedlungshügel im westlichen Makedonien, am rechten Ufer des Flusses Aliakmon, der zwischen 1971 und 1973 von einer britischen Rettungsgrabung in einigen Schnitten untersucht wurde, bevor die Fundstelle 1974 von einem Stausee überflutet wurde.[63] Festgestellt wurde eine 5-phasige mittelneolithische Besiedelung, die vor allem in Bezug auf die Bauweise sehr aussagekräftige Erkenntnisse geliefert hat. Es handelt sich um mehrere übereinanderliegende Flechtwerkhäuser mit Lehmbewurf, deren Dach von massiven Innenstützen getragen wurde (eine Zweistöckigkeit wird zumindest überlegt). Die Häuser besaßen eine langgezogene, vermutlich in Räume unterteilte Grundform, wobei teils eine Art Keller vorhanden war. Zumeist konnte ein Fundamentgraben mit Pfostenlöchern festgestellt werden, Steinfundamente waren selten. Aufgrund eines Brandzerstörungshorizonts (Phase 4) sind zahlreiche Hüttenlehmbrocken mit Abdrücken erhalten, die eine detaillierte Rekonstruktion der Wandkonstruktionen erlauben.[64] Die Häuser besaßen wahrscheinlich Böden aus lehmverschmierten Holzbalken und ein schilfrohrgedecktes – möglicherweise gleichfalls lehmverschmiertes – Dach. [65] Vorhanden sind auch Abdrücke von Schilfmatten. Eine Anzahl verschiedener Herd- und Ofenanlagen besaß Innenkonstruktionen aus Flusskieseln (vielleicht zur besseren Wärmespeicherung?).[66] Die Keramik zeigt enge Beziehungen zu Thessalien, wobei Impresso-Keramik allerdings auch in spätmittelneolithischen Schichten auftritt. Bei der bemalten Keramik ist der thessalische „solid style“ sowie der Zacken-/Flammenstil vorhanden, die „ausgewischte“ Ware fehlt aber.[67] Bei der bemalten Keramik soll außerdem aufgrund eines stärkeren Kontrasts zwischen Bemalung und Untergrund die Unterscheidung zwischen lokaler Keramik des „Servia-Style“ und importierter Keramik der Sesklo-Kultur möglich sein. Besonders spannend ist nicht Rot-auf-weiß, sondern Weiß-auf-rot bemalte Keramik, die anscheinend einen Einfluss des balkanischen Neolithikums darstellt (frühe bemalte Ware der Starčevo -Kultur).[68] Bei den Kleinfunden fallen eingekerbte Steine unklarer Funktion auf, die als „waisted weights“ bezeichnet werden.[69] h. Plateia Magula Zarkou Plat(e)ia ist ein wichtiger Fundort des frühen Spätneolithikums in Thessalien. Es ist bemerkenswert, dass aus dem FN und MN in Griechenland keine Friedhöfe bekannt sind, sondern nur vereinzelte Skelettfunde aus Siedlungsbereichen – zumeist in Hockerstellung.[70] In den 70er Jahren wurde allerdings bei einem Prospektionsprojekt zum Umfeld von Tellsiedlungen zirka 300 m vom Siedlungshügel Plateia ein Gräberfeld des frühen Spätneolithikums aufgefunden. Seine Erhaltung dürfte auch abgesehen von der Auffindung und schwierigen Bergung im Rahmen von Drainagierungsarbeiten einen glücklichen Zufall darstellen. Die Gräber dürften ursprünglich nur ca. 30 cm tief eingegraben und schon in prähistorischer Zeit angeackert worden sein, wurden aber später von einem Kolluvium überdeckt und dadurch konserviert. Aufgefunden wurden ausschließlich Brandbestattungen, wobei auch die Kleinkinder kremiert wurden. Insgesamt konnten 46 Brandgräber mit zirka 60 Beisetzungen, hauptsächlich von Erwachsenen, geborgen werden. [71] Überraschend war, dass in diesem Friedhof sowohl graue Gefäße der sogenannten Tsangli-Phase als auch schwarze Gefäße der Larissa-Kultur vorhanden waren. Bis zu diesem Fund war angenommen worden, dass die Tsangli-Phase am Beginn und die Larissa-Kultur am Ende des Spätneolithikums einzuordnen ist.[72] Zur Klärung der Frage, ob es sich in Wirklichkeit um gleichzeitige Kulturerscheinungen handelt, wurden Ausgrabungen im Tell durchgeführt, bei denen neben mittelneolithischen auch die gewünschten frühspätneolithischen Schichten mit einer Mächtigkeit von 1 m angeschnitten wurden. Es konnte nachgewiesen werden, dass die beiden Keramiktypen tatsächlich gleichzeitig in Verwendung waren, weshalb heute von der Tsangli-Larissa-Stufe gesprochen wird.[73] Bei der Keramikentwicklung zeigt sich laut K. Gallis am Übergang vom Mittel- auf das Spätneolithikum kein grober Bruch, er sieht aber eine Verdichtung des Siedlungsgefüges und geht von einer Bevölkerungszunahme aus.[74] Sehr beeindruckend ist der Fund eines Hausmodells in Plateia, das anscheinend bei der Errichtung eines Herdes, vielleicht als eine Art Bauopfer, unter dem ältesten spätneolithischen Fußboden deponiert wurde. Es besitzt kein Dach, aber ein detailliertes Innenleben mit einem Ofen, einer Steinmühle und einer Plattform in einer Ecke sowie insgesamt 8 Figurinen, bei denen zumindest ein Mann und eine Frau sowie wahrscheinlich mehrere Kinder zu erkennen sind (die Angaben weichen etwas voneinander ab).[75] i. Elateia II-III/ Bothros Elateia ist ein Siedlungshügel in Zentralgriechenland mit einer relativ ausgedehnten Stratigrafie, in dem nach ersten Sondagen vor dem Ersten Weltkrieg 1959 Grabungen von S. Weinberg durchgeführt wurden.[76] Neben verschiedenen Architekturresten (Mauern, Böden), die nur kleinflächig erfasst wurden und daher wenig Aussage bieten, ist die Keramikfolge des Fundortes mit der sogenannten „Chaironeia Ware“ zu nennen. Es handelt sich um eine typisch mittelneolithische Rot-auf-weiß bemalte Ware.[77] Der darauf folgende Siedlungshorizont konnte nur durch das Inventar einer einzigen Grube (griech. Bothros) erfasst werden. In dieser Grube ist noch keine spätneolithische matt bemalte Ware, sondern hauptsächlich schwarzpolierte und grobe Ware vorhanden.[78] Diese Bothros-Phase repräsentiert das späte MN Zentralgriechenlands, wobei die schwarzpolierte Ware sicherlich schon eine gewisse Nähe zur Tsangli-Larissa-Stufe anzeigt. Auffallend sind auch Urfirnis-Stücke, die aber bei weitem nicht so dominant vertreten sind wie etwa in der Franchthi-Höhle. [79] Im Bothros wurde auch ein vierfüßiges Gefäß mit Henkel gefunden.[80] j. Korinth Forum West Befunde der Tsangli-Stufe konnten im Grabungsbereich „Forum West“ in Korinth dokumentiert werden. Es dürfte sich um einen Haus-Hof-Komplex handeln, wobei vom Haus nur wenig erhalten ist. Der Hof ist von einer Vielzahl kleiner Löcher überzogen, deren Ansprache schwierig ist. Vermutlich sind sie die Spuren eines landwirtschaftlichen oder handwerklichen Vorgangs.[81] Der Großteil der Keramik ist schwarzpolierte Ware, gefolgt von Grobware. Vorhanden sind auch relativ zahlreiche Fragmente von vierfüßigen „Ritualgefäßen“ (Rhyta), ähnlich dem Stück aus Elateia. Auch die Urfirnis-Ware wird in Korinth in dieser Zeit anscheinend noch genutzt, im Gegensatz zu Franchthi, wo sie im SN keine Verwendung mehr findet. Die Grau-auf-grau Ware zeigt Verbindungen nach Thessalien.[82] k. Sitagroi Sitagroi ist eine Tellsiedlung in Makedonien, in der von C. Renfrew Grabungen durchgeführt wurden. Nachzuweisen sind insgesamt 5 große Siedlungsphasen, von denen Sitagroi I noch in die ausgehende Sesklo-Zeit zu stellen ist.[83] Für diese Phase ist die – teils kannelierte – grau glänzende Keramik charakteristisch, wobei der Grauglanz durch den Auftrag von puderförmigem Grafit hervorgerufen wurde. Die Schüsseln sind überwiegend kariniert. Die Grobkeramik ist teilweise mit Fingernageleindrücken oder Fingertupfen verziert. Sitagroi II, das der Tsangli- und Arapi-Stufe zuzuweisen ist, zeichnet sich durch musterbemalte Keramiksorten aus (z. B. Braun-auf-beige, Braun-auf-orange, Braun-auf-braun, Orange-auf-orange und Rot-auf-weiß-Bemalung), besonders häufige Motive sind Spiralen und Bögen. Typisch ist auch die Black-topped-Ware mit einem reduzierend gebrannten Mundsaum.[84] l. Dikili Tash Dikili Tash ist ein weiterer Fundort im östlichen Makedonien. Sein keramisches Fundmaterial ähnelt demjenigen von Sitagroi. Es handelt sich vor allem um polierte, schwarze, graue sowie um Black-topped-Ware. Die Keramik zeigt Verbindungen zur Tsangli und Arapi-Stufe Thessaliens und zum Balkan (u. a. zu Karanovo II und IV und Vinča). Auch karinierte Formen sind vorhanden.[85] Der Forschungsstand legt nahe, dass Makedonien erst relativ spät besiedelt wurde. Sesklo-Keramik ist zwar vorhanden, etwa aus Mesimeriani,[86] aber nur relativ selten. Erst mit dem Beginn des Spätneolithikums verdichtet sich das Netz der bekannten Siedlungen.[87] 3. Auswertung Architektur Für das Referat wurden die architektonischen Charakteristika der besprochenen Fundstellen versuchsweise auf einer Karte eingezeichnet (Abb. 1). Abb._1:_Auswertung Architektur (Zusammenstellung: Jakob Maurer, Karte: Alram-Stern 1996, Umschlag).
Die einzige wahrscheinlich relevante Verteilung, die aus diesem Datensatz erkannt werden konnte, betrifft die Wahl des Rohmaterials. Im Norden von Griechenland finden sich verstärkt Pfostenbauten, während im Süden eher Stein- und Lehmgebäude vorhanden sind. Vielleicht existiert ein Zusammenhang mit einer besseren Verfügbarkeit von passendem Bauholz in den nördlichen Bereichen von Griechenland oder möglicherweise sind reine Lehmbauten in feuchteren Gebieten auch einfach weniger zweckmäßig. 4. Auswertung Keramik Abb._2:_Auswertung Keramik (Zusammenstellung: Jakob Maurer, Karte: Alram-Stern 1996, Umschlag). Auch für das keramische Fundmaterial wurde eine ähnliche Verteilungskarte erstellt (Abb. 2), wobei zwischen vier zeitlichen Horizonten unterschieden wurde (frühes MN, MN, spätes MN, frühes SN). Es ist zu erkennen, dass im späten Frühneolithikum beziehungsweise im frühen Mittelneolithikum ein ausgedehnter Horizont mit impressoverzierter Ware vorhanden ist. Der Anteil von monochromer Ware im Fundspektrum ist nach wie vor hoch. Im Süden von Griechenland bildet sich im MN eine Region mit Urfirnis als wichtigster Keramikgattung heraus, wobei sich diese Technik im späten MN vom Peloponnes anscheinend etwas weiter nach Norden ausbreitet. Von Zentralgriechenland bis Westmakedonien ist dafür hauptsächlich Rot-auf-hell bemalte Sesklo-Ware vorhanden, von der diverse Lokalgruppen unterschieden werden. Es lassen sich auch verschiedene Beziehungen zu den umliegenden Räumen feststellen, in Servia etwa zum Balkan. Agios Petros wird über karinierte Schüsseln mit Kleinasien verbunden, wobei selbige aber zumindest ab dem ausgehenden Mittelneolithikum auch auf dem griechischen Festland vorhanden sind (Sitagroi, Franchthi). Im späten MN/frühen SN sind dunkle, reduzierend gebrannte Keramiken recht weiträumig verbreitet, etwa die schwarzpolierte Ware. Anhand der Grau-auf-grau-Ware lassen sich Beziehungen zwischen Thessalien und Korinth herstellen. In Makedonien tritt unter anderem Oberflächengrafitierung in Erscheinung.
Abschließend möchte ich außer dieser eigenen Verbreitungskarte zur mittelneolithischen Keramik noch eine weitere Kartierung aus einem Artikel von Dorothy Washburn vorstellen. Ihr methodisches Vorgehen ist deshalb spannend, weil sie ihrer Arbeit keine Analyse der Herstellungstechnik oder einzelner Verzierungselemente zugrunde legt – wie sie von vielen Archäologen als Standardinstrument zur Untersuchung von Kulturkontakten zwischen verschiedenen Räumen und Zeiten eingesetzt wird – sondern einen ergänzenden beziehungsweise alternativen Ansatz namens „Symmetry analyses“ entwickelt.[88] Ihrer Aussage nach ist die Art und Weise, wie Einzelmotive auf verzierten Keramikgefäßen zu einem Gesamtmuster zusammengefügt werden, ein für die kulturelle Zuordnung zu einer Gruppe wesentlich spezifischeres Kriterium als etwa die Herstellungstechnik der Keramik oder das Aussehen des jeweiligen Einzelmotivs an sich. Selbiges könnte einfacher imitiert werden als der Aufbau (design structure) des Gesamtmusters, der stärker in der Tradition verhaftet wäre. Ähnlichkeiten in der design structure von Gefäßen verschiedener Regionen würden daher mit besonders hoher Wahrscheinlichkeit auf enge Kontakte oder auf eine gemeinsame Identität hinweisen. Die Absenz solcher Kontakte könnte umgekehrt auf unterschiedliche Identitäten, Umweltgrenzen oder andere trennende Faktoren hinweisen.[89] Der Aufbau der analysierbaren Muster folgt dabei einigen geometrischen Grundregeln, die auch aus der Symmetrielehre bekannt sind (Punktsymmetrische, ein- und zweidimensionale Muster: Rotation, Translation, Spiegelung, Gleitspiegelung).[90] In ihrem Artikel versucht sie eine derartige Analyse auch für einige Zeitperioden des griechischen Festlandes, wobei sie ein Chronologiesystem verwendet, das in der modernen Forschung keine weitere Verbreitung gefunden haben dürfte. Ihre Periode EN II (Early Neolithic II) dürfte aber ungefähr dem Mittelneolithikum nach der Begrifflichkeit dieses Referats entsprechen.[91] Während sie für das Frühneolithikum (EN I in dem von ihr verwendeten System) mit dem ihr zur Verfügung stehenden Datensatz kein signifikantes Ergebniss erzielen konnte, zeigt ihre Symmetrieanalyse der mittelneolithischen Keramik – die aufgrund der reichen Bemalung dafür vermutlich auch besonders geeignet ist – sehr wohl lokale Differenzierungen und Gruppierungen (interaction spheres), und zwar in einer sehr viel höheren Auflösung als die Kartierung der Einzelmotive. Im Vergleich zu Thessalien, wo die Autorin mit ihrer Methode mehrere sich im Zentralbereich überlappende Sub-Regionen herausarbeiten konnte, zeigen die Ergebnisse aus Zentral- und Südgriechenland ein wesentlich lokaleres Bild, wobei wohl die topografische Situation (Gebirge) ausschlaggebend sein dürfte. Insbesondere in Boetien erscheinen die Fundstellen zwar untereinander eng verbunden, aber relativ isoliert von anderen Regionen.[92] Die Autorin stellt auf der Grundlage dieser Ergebnisse auch Überlegungen zu möglichen Austauschsystemen für keramische Güter an. Während sie für das Früh- und Mittelneolithikum von einem Austausch zwischen einzelnen Haushalten ausgeht (house based reciprocity), kann sie sich für das Spätneolithikum schon komplexere Systeme vorstellen (zb. central place redistribution).[93] Meines Erachtens dürfte es sich bei der Symmetry analyses von Washburn um eine relativ spannende Methode zur geografischen und/oder auch zeitlichen Aufsplittung der Verbreitung musterverzierter Keramik handeln, da die Art und Weise des Musteraufbaus weitgehend unabhängig von der Herstellungstechnik und der Wahl des Einzelmotivs erfolgen kann. Bei dieser Argumentation kann ich der Autorin gut folgen. Es kann mit dieser Technik sowohl die Untergliederung eines auf den ersten Blick homogen wirkenden Fundmaterials gelingen als auch unter Umständen eine Verbindung zwischen Verzierungen, die mit unterschiedlichen Motiven oder Techniken hergestellt wurden, erkannt werden. Verbreitungskarten, anhand derer Gemeinsamkeiten und trennende Elemente von Fundstellen besser erkennbar werden, sind ein immens wichtiges Werkzeug der archäologischen Forschung, und bei der Methode von Washburn handelt es sich um eine unkonventionelle Technik, mit der sich die Intensität von Kontakten zwischen verschiedenen Regionen in manchen Fällen möglicherweise wirklich besser darstellen lässt als mit anderen Routinen. Es sollten m. E. zu archäologischen Kulturerscheinungen aber immer möglichst viele Verbreitungskarten zu unterschiedlichen Aspekten erstellt und betrachtet werden. Der umfassende Vergleich mit weiteren Verbreitungskarten, die andere Fundverteilungen visualisieren, könnte die gewonnenen Erkenntnisse entweder relativieren oder weiter erhärten.
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6. Abbildungen
[1] Gallis 1996c, 23-26. [2] Gallis 1996c, 23. [3] Vgl. Alram-Stern 1996, 83. [4] Zur Definition vgl. Alram-Stern 1996, 89. [5] Vgl. etwa Tabellen Alram-Stern 1996, 100 und Demoule – Perlès 1993, 366. [6] Vgl. Reingruber 2008, 272. [7] Vgl. Alram-Stern 1996, 449-468. [8] Vgl. Koukouli-Chryssanthaki 1996, 113. [9] Kotsakis 1996, 49. [10] Zusammenfassung der Forschungsgeschichte nach Kotsakis 2006 und Souvatzi 2008. [11] Souvatzi 2008, 78. [12] Souvatzi 2008, 80. [13] Kotsakis 2006, 209. [14] Kotsakis 2006, 210 f. [15] Kotsakis 2006, 213 f. [16] Souvatzi 2008, 85. [17] Souvatzi 2008, 81. [18] Souvatzi 2008, 81 u. 89 f. [19] Souvatzi 2008, 90. [20] Alram-Stern 1996, 325. [21] Theocharis 1973, Abb. 39 und 274. [22] Souvatzi 2008, 80. [23] Vgl. Alram-Stern 1996, 88 und Theocharis 1973, Abb. 27-30. [24] Alram-Stern 1996, 126-128. [25] Theocharis 1973, 90. [26]Milojcic 1983b, 5. [27] Milojcic 1983a, 1. [28] Milojcic 1983a, 2 f. [29] Vgl. Milojcic 1983a, 3-6 und Mottier 1981, 38. [30] Vgl. Milojcic 1983a, 6-14. [31] Gallis 1996c, 64. [32] Vgl. Milojcic 1983a, 6 [33] Vgl. Milojcic 1983a, 8 f. und Alram-Stern 1996, 351. [34] Vgl. Milojcic 1983a, 2. [35] Vgl. Gimbutas 1989b, 1 f. [36] Alram-Stern 1996, 368. [37] Vgl. Shimabuku – Winn 1989, 44-46. [38] Vgl. Shimabuku – Winn 1989, 46-50. [39] Vgl. Shimabuku – Winn 1989, 50-56. [40] Vgl. Gimbutas 1989a, 216 sowie Shimabuku – Winn 1989, 60. [41] Gimbutas 1989a, 179. [42] Vgl. Farrand 2000, 89. [43] Alram-Stern 1996, 244. [44] Reingruber 2008, 367. [45] Vitelli 1989, 17 f. [46] Vgl. Alram-Stern 1996, 247 f. u. 250. [47] Alram-Stern 1996, 246. [48] Reingruber 2008, 369. [49] Vgl. Vitelli 1993, 208. [50] Vgl. Reingruber 2008, 371. [51] Vgl. Vitelli 1993, 200-203. [52] Vgl. Vitelli 1993, 200 f. [53] Vitelli 1993, 203. [54] Talalay 1993. [55] Allgemeine Informationen zum Fundplatz vgl. Alram-Stern 1996, 339 f. [56] Efstratiou 1985, 55. [57] Vgl. Efstratiou 1985, 51 f. u. 65. [58] Vgl. z. B. Vitelli 1993, Abb. 64. [59] Alram-Stern 1996, 411. [60] Sampson 2008, 500. [61] Vgl. Sampson 2008, 18 u. 81 sowie Alram-Stern 1996, 509. [62] Sampson 2006, 140. [63] Vgl. Reingruber 2008, 408 und Alram-Stern 1996, 380. [64] Ridley u. a. 2000, 71 f u. Abb. 1.5, 2.6, 2.7 u. Abb. 3. [65] Ridley u. a. 2000, 13 u. 71. [66] Ridley u. a. 2000, Abb. 4.23 u. 92. [67] Alram-Stern 1996, 382. [68] Ridley u. a. 2000, 209. [69] Ridley u. a. 2000, 164. [70] Papathanassopoulos 1996, 35. [71] Gallis 1996a, 528 f. [72] Gallis 1996a, 522. [73] Gallis 1996a, 527. [74] Gallis 1996b, 65. [75] Vgl. z. B. Gallis 1996a, 526 und Demoule – Perlès 1993, 397. [76] Weinberg 1962, 158. [77] Weinberg 1962, 176 f. [78] Weinberg 1962, 186 u. 195. [79] Weinberg 1962, 181. [80] Weinberg 1962, 190-195. [81] Alram-Stern 1996, 223 und Lavezzi 1978, Abb. 2. [82] Alram-Stern 1996, 223 f. [83] Zum Fundort Alram-Stern 1996, 409-416 und Renfrew u. a. 1986. [84] Vgl. Alram-Stern 1996, 410 f. und Keighley 1986. [85] Alram-Stern 1996, 418 f. [86] Z. B. Felsch 1976, 293. [87] Karte: Tsirtsoni 2000, im Umschlag. [88] Washburn 1983. [89] Vgl. Washburn 1983, 140 u. 151-156. Vgl. inbes. Abb. 9.9 und 9.11. [90] Washburn 1983, 138 f. [91] Vgl. z. B. Washburn 1983, Abb. 9.10 und Milojcic 1959, Abb. 12 (Keramik der mittleren und späten Sesklo-Kultur). Ihr chronologisches System übernimmt die Autorin aus einer unpublizierten US-amerikanischen Dissertation, siehe Washburn 1983, 149. [92] Vgl. Washburn 1983, 149, [93] Washburn 1983, 162. |
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