2007 Die jungneolithische Siedlung von Hornstaad Hörnle 1A

Der 63km lange Bodensee gliedert sich in den Obersee, den fingerförmig daran angesetzten Überlinger See sowie den über den Seerhein verbundenen Untersee. Am Südwestufer des Untersees befindet sich nahe am Abfluss des Rheins auf einer an eine Halbinsel erinnernden Geländesituation der bekannte Fundplatz von Hornstaad Hörnle.

1. Forschungsgeschichte

Eigentlich handelt es sich um mindestens vier verschiedene neolithische Siedlungen am Rand des Naturschutzgebietes Hornspitze oberhalb von Hornstaad, die im Winter 1856/57 durch den Obergrenzkontrollor M. Koch entdeckt wurden. Altfunde geben einen Hinweis darauf, dass bereits damals Ausgrabungen durchgeführt wurden, über die aber nichts Näheres bekannt ist.

Ab den 1950er Jahren waren die Siedlungen durch das Absterben des Schilfgürtels und die Zurückverlegung des Strandwalles immer stärker von der Erosion bedroht, Balken und Kulturschichten wurden freigespült.

Auf Anregung eines lokalen Heimatforschers wurde 1973 von Helmuth Schlichtherle mit ersten Sondagen begonnen, die in fünf Jahren immerhin 80m2 aufdeckten. Die große Bedeutung des Fundplatzes, die durch den für das Bodenseegebiet sehr frühen Siedlungsbeginn und eine konservierte Brandschicht gegeben ist, wurde spätestens im Rahmen weiterer Sondierungen des DFG-Projekts „Bodensee-Oberschwaben“ in den Jahren 1979-1983 erkannt.

Aus diesem Grund kam es in einem nahtlos daran anschließenden weiteren DFG-Projekt („Siedlungsarchäologische Untersuchungen im Alpenvorland“) zu großflächigen Untersuchungen, die 1993 nach 10 Jahren abgeschlossen wurden. Unter der Leitung von Bode Dieckmann wurde dabei von Anfang an großer Wert auf naturwissenschaftliche Untersuchungen gelegt, neben Archäologen kamen unter anderem Botaniker, Dendrochronologen, Pedologen, Pollenkundler, Sedimentologen, und Zoologen zum Einsatz.

Derzeit befindet sich das Projekt in der Aufarbeitungsphase, die botanischen und sedimentologischen Ergebnisse und die Silexobjekte sind bereits vorgelegt. Auch eine fünfhundertseitige Monographie „Hornstaad-Hörnle IA. Die Befunde einer jungneolithischen Pfahlbausiedlung am westlichen Bodensee“ wurde bereits verfasst, ihr Erscheinungstermin ist aber erst im Juni 2007, also einen Monat zu spät für dieses Referat, was mich sehr geärgert hat. Anhand diverser Vorberichte werde ich aber immerhin einen detaillierten Überblick zur Stratigrafie der Siedlung Hornstaad I geben können und sie in botanischer und bodenkundlicher Hinsicht außerdem in Relation zur umgebenden Landschaft setzen. Die anderen Siedlungen von Hornstaad werde ich nur kurz streifen.

Die Grabungen wurden jeweils im Winterhalbjahr bei niedrigen Bodenseewasserständen durchgeführt, da es sich jeweils um ufernahe Bereiche handelte, war ein Schutz durch Sandsäcke oder leichte Caissonkonstruktionen ausreichend. Schwebenden Grabungsbrücken kamen gegen die Trittbelastung des weichen Seekreideuntergrunds zum Einsatz. Um durchgehende Profile zu erhalten, wurden die Grabungsschnitte in einem Schachbrettsystem angeordnet. Das gesamte Material wurde getrennt nach Viertelquadratmetern gesiebt, die oft nur millimeterstarken Schichten dabei einzeln abgetragen. Die Korrelation der Schichten in den verschiedenen Schnitten war im Nachhinein aber trotzdem nicht immer möglich.

2. Hornstaad Hörnle I

Die bedeutende Station von Hörnle I erstreckt sich uferparallel auf etwa 130m und land-seewärtig mindestens ebenso weit. Bei den Untersuchungen wurden insgesamt über 4000m2 geöffnet (deutlich mehr als 50% der Gesamtfläche), und zwar einerseits zusammenhängende Bereiche im besonders erosionsgefährdeten Siedlungsinneren und andererseits Sondagen, um die Ausdehnung und größere Struktur erfassen zu können. Zusätzlich wurde alles durch Bohrungen und der geologische Aufbau des Hinterlands durch einen langen Baggerschnitt untersucht.

Im südwestlichen Bereich waren im Boden nur mehr die Pfähle erhalten und die Kulturschichten zu einem guten Teil bereits aberodiert.

a. Stratigraphie

Eine idealisierte Profilbeschreibung wurde von Schlichtherle entwickelt und von Dieckmann mit geringen Änderungen adaptiert. Sie unterscheiden zwischen Geologischen und Archäologischen Horizonten (GH und AH), die sie von unten nach oben durchnummerieren:

GH 1 Gebänderter Ton, während des Abschmelzens des Rheingletschers entstanden.

GH 2 Dünne Seekreideschicht (Seekreide entsteht durch Kalkalgen, die aus dem Wasser Calziumcarbonat ausfällen. Sie hat einen hohen Wassergehalt und eine dementsprechend geringe Tragfähigkeit).

Über diesen beiden geologischen Ablagerungen befindet sich die bis zu 35cm mächtige Kulturschicht A. Durch den Begriff Kulturschicht soll ein vorwiegend anthropogener Einfluss bei der Entstehung impliziert werden. Deutliche Unterschiede innerhalb der Kulturschicht führten zur Untergliederung in mehrere Archäologische Horizonte:

GH3 = AH1 Sand + Detritus (abgestorbenes pflanzliches Material) + Seeschnecken + unverbrannte Holzspäne der ersten Bauphase. 0.5-2cm stark.

GH4=AH2 Brandschuttschicht aus verziegeltem Lehm, Holzkohle und verbranntem Getreide. Im nordöstlichen Randbereich ist sie aber nicht nachweisbar, ein Dorfteil unbekannter Größe blieb von der Brandkatastrophe verschont.

GH5=AH3 Weiterlaufende Besiedelung ohne vorhergehenden Hiatus und ohne abschließende Brandkatastrophe. Unverziegelter Lehm, unverbranntes org. Material, geringe Sandbänder.

In Wirklichkeit ist die Stratigraphie aber schon alleine durch die vielen liegenden und stehenden Pfahlhölzer komplizierter. Insbesondere AH3 lässt sich lokal unterschiedlich noch feiner in diverse Lehm- und Detrituslagen zerteilen, wobei den derzeitigen Publikationen noch keine schnittübergreifenden Zusammenhänge zu entnehmen sind.

Die archäologischen Horizonte AH1 bis AH3 bilden miteinander das Kulturschichtpaket A und stellen das erhaltene, unter anthropogenem Einfluss abgelagerte Sediment der Besiedelungsphase A dar, da mit gleichzeitigen und späteren Abrasionsvorgängen gerechnet werden muss, nicht unbedingt aber die gesamte Aktivität der Besiedelungsphase A.

GH6 – 30cm starke Seekreideschicht mit zahlreichen liegenden Hölzern, die vermutlich von der Oberfläche von AH3 aufgeschwommen sind. Sie dürften von zusammengestürzten Häusern der Phase A stammen und ihre Erhaltung gibt einen Hinweis auf eine rasche Einsedimentierung. Die Kreideablagerung ist mit einer länger währenden Überflutung des Areals der aufgelassenen Siedlung in Verbindung zu bringen.

GH7=AH4 ist die zur Besiedelungsphase B gehörige Kulturschicht der Pfyner Kultur. Sie ist bereits früher weitgehend der Abrasion zum Opfer gefallen und lieferte nur noch ein maximal 10cm starkes sandiges Detritusband und ein Eichenpfahlfeld, das 1991 zu ca. 50% untersucht wurde. Im Vergleich zur Besiedlung der Phase A liegt es weiter vom heutigen Ufer entfernt und ist mit Schlagdaten zwischen 3586-3507BC zirka 350 bis 400 Jahre jünger.

GH8 repräsentiert den römischen bis mittelalterlichen Strandhorizont, der im höheren landwärtigen Siedlungsteil alle Archäologischen Horizonte gekappt hat.

GH9 – Feinsandiges Sediment.

GH10 – Humoses Sediment.

GH11 – Moderner Strandwall, dahinter Riedwiese.

Möglicherweise muss noch mit weiteren, bisher nicht sicher nachgewiesenen Siedlungsphasen gerechnet werden, da am Strand vereinzelt auch Objekte der Schnurkeramik sowie der frühen und späten Bronzezeit zum Vorschein kamen.

Kurz zusammengefasst:

Mit den Archäologischen Horizonten AH1 und AH2 können wir zwei verschiedene Phasen von ein und derselben etwa 10 Jahre existierenden Häusergeneration fassen. Die untere Schicht besteht hauptsächlich aus beim Bau und während der Besiedelung kontinuierlich angefallenen Abfällen, über denen die Reste der Brandkatastrophe liegen, der diese Häuser zum Opfer fiel. Anschließend wurden neue Gebäude errichtet.

b. Der Archäologische Horizont AH 1 …

… hat vielleicht knapp 10 Jahre lang bestanden. In den zuweisbaren Eichenpfosten lassen sich seewärts (in Richtung Osten) klare Hausgrundrisse erkennen, die jeweils zirka 3,5m breit und 8 bis 10m lang sind. Die Häuser sind Ost-West orientiert.

Landwärts bilden die Pfosten kaum klare Grundrisse, es ließen sich dort hingegen drei kleine, 1-3m große, mit Asche und organischem Material sowie Massierungen von Knochen durchsetzte Lehmlinsen feststellen, bei denen es sich um die Reste von Abfallhaufen handeln dürfte.

Ansonsten besteht AH1 teilweise nur aus einer wenige Millimeter starken Schicht mit vereinzelten Funden, die sich als bis zum Brandereignis angesammelter Abfall charakterisieren lassen. Großteils sind es organische Reste wie Holzsplitter, Koprolithen und Nahrungsabfälle. Bei der Kartierung von steinernen Netzsenkern und Knochen sowie des Phosphatgehalts lässt sich eine deutliche Abnahme zum See hin feststellen, was mit dem größeren Seeeinfluss im Osten erklärt werden muss, da die Analyse der am Ende der Gebäudenutzung stehenden Brandschicht AH2 keine wesentlichen Funktionsunterschiede erkennen lässt. Im südlichen Bereich ist der Seeeinfluss offensichtlich noch größer, da sich dort überhaupt nur das Pfahlfeld erhalten hat. In diesen seenahen Bereichen hat sich durch die botanischen Untersuchungen umgekehrt ein höherer Anteil der Wasserpflanzen am Detritus nachweisen lassen.

Auffällig ist, dass im Zentralbereich der Siedlung die dauerhaftere Eiche vorherrscht, während in den randlichen Hausgrundrissen auch Esche und Weide zu finden sind. Offensichtlich war nach der Errichtung der ersten Bauten das qualitativere Baumaterial ausgegangen.

Mit Dendrodaten ab 3915BC kann eine plötzliche Errichtung nachgewiesen werden, die die Frage nach einer „Vorgängersiedlung“ aufkommen lässt.

 

c. … und die zugehörige Brandschicht AH 2

Der Archäologische Horizont 2 lässt sich überall nachweisen, wo überhaupt Schichten erhalten sind, und hat eine Mächtigkeit von maximal 20 Zentimetern. Es handelt sich um die Reste einer Brandkatastrophe, die vermutlich weniger als 10 Jahre nach der Errichtung der Siedlung stattfand, vielleicht schon im Jahr 3907 v. Chr. Das letzte Schlagdatum des raschen Wiederaufbaues datiert 3904, wobei Dieckmann überlegt, ob dafür vielleicht Hilfe von außen in Anspruch genommen wurde.

Neben Holzkohle und großen Mengen verbrannten Getreides wurden bis 1991 Brandschuttreste von elf Häusern ausgegraben, wie viele in der Siedlung insgesamt gleichzeitig bestanden, ist nicht bekannt, in den neueren Plänen sind über 20 eingezeichnet, Dieckmann gibt eine Schätzung von 30 bis 40 Häusern. Bei 5 Personen pro Hauseinheit ließe das auf 150 bis 250 Bewohner schließen.

Die derzeitigen Rekonstruktionen der Bauten sind etwas hypothetisch, es wurden einfach alle häufig vorkommenden Bauelemente miteinander verknüpft. An einem Ende gegabelte, bis zu 5.2 m lange Bauelemente, deren anderes Ende in einen Pfahlschuh eingezapft ist, werden als senkrechte Dachständer interpretiert. Die Pfahlschuhe wurden auf die Strandoberfläche aufgesetzt und sollten – nicht immer erfolgreich, manchmal sind sie zerbrochen – ein Einsinken verhindern. Senkrecht eingerammte Pfosten trugen vermutlich den Fußboden, es existieren auch aus statischen Gründen absichtlich schräg eingesetzte Verstrebungen (wenn diese Hölzer sekundär verdrückt wären, müssten sich im umgebenden Ton Störungen nachweisen lassen).

Durch die Kartierung der zahlreichen verziegelten Lehmbrocken in AH 2 lassen sich die Wandfluchten der einzelnen Hausstellen erkennen, wobei die derart ermittelten Ergebnisse sehr gut mit der dendrochronologische Analyse der Schlagdaten der in AH 1verbauten Hölzer verglichen werden können bzw. auch übereinstimmen.

Der Abstand der Hausfußböden von der Strandoberfläche ist unklar, sie waren aber keinesfalls ebenerdig. Da der Archäologische Horizont AH 1 schlagartig durch AH 2 versiegelt wurde, hätten sich in diesem Fall Estriche oder Herdstellen erhalten müssen, was aber nicht der Fall ist. Ganz im Gegenteil scheint eine darunter liegende Spülschicht mit Mollusken, Zweigen, etc. eine Überflutung während der Besiedelung anzuzuzeigen. In Zusammenhang mit den Hüttenlehmstreifen lassen sich auch Zonen mit bräunlichen Seekreidebrocken erkennen, die gleichfalls sehr wahrscheinlich Baumaterial, am ehesten den Fußbodenestrich darstellen. Dieser war außerdem mit Moospolstern, von denen sich mehr als tausend Stück erhalten haben, geschützt. Rindenfetzen werden als mögliche Überreste von Hausdächern interpretiert.

Der Großteil der Funde kam im Brandhorizont im Bereich der durch Hüttenlehm nachgewiesenen Häuser zu Tage, wobei bei eng aneinander stehenden Gebäuden die Abgrenzung der Inventare laut den Vorberichten nicht immer möglich war – eines Tages vielleicht durch Zusammensetzversuche.

Die Mahlplatten und die zugehörigen Läufer waren auf acht Ansammlungen mit bis zu sechs Stück verteilt. Auch Steinbeile lagen immer wieder in der Art eines Gerätesatzes zusammen, wobei ihr Vorkommen dem der Schleifplatten gut entsprach. Die Netzsenker häuften sich an neun Stellen, wobei sich aber mitunter verkohlte Netzfragmente auch in Hausbereichen ohne Gewichte konzentrierten. Insgesamt wurden mehr als 10 000 Netzsenker geborgen, was ein Licht auf die große Bedeutung des Fischfanges wirft. Es gibt zwei Typen von Netzmaschenweiten, eine feinere mit zirka 5 bis 10mm (wobei nicht auszuschließen ist, das dieser Typ auch für Tragenetze oder Trockensiebe verwendet wurde) und eine gröbere mit 20 bis 50mm.

Bei den ersten Untersuchungen der Fischknochen, die mit einem 3mm-Sieb gewonnen wurden, zeigte sich ein sehr markantes Überwiegen größerer Fische. Als dann aber einmal versuchsweise mit einem 2mm Sieb gearbeitet wurde, kamen plötzlich auch die Knochen kleinerer Fische zum Vorschein – ihr vorheriges Fehlen war demnach rein ausgrabungsbedingt. Dementsprechend noch schwerer ist der Vergleich der Rolle von Fisch- und anderer Fleischnahrung. Dass der Fischfang in Hornstaad-Hörnle eine bedeutende Rolle gespielt hat, ist aber unumstritten. Auch zahlreiche Angelhaken wurden entdeckt.

Die Verteilung der Objektgattungen in den Hausbereichen war nicht immer gleich, es ließ sich aber feststellen, dass Silexabschläge in vier von fünf Fällen im Osten zu finden waren, am ehesten dürfte der Zugang daher von dieser Seite erfolgt sein. Auch Netzsenker und Netzfragmente konzentrierten sich meistens im Osten, nur in zwei Fällen gab es eine Massierung im Westen, wobei bei diesen Ausnahmen der Eingangsbereich möglicherweise auf eine Freizone zwischen den Häusern ausgerichtet war.

Insgesamt sind die Inventare relativ ähnlich, es existieren aber sehr wohl gewisse Unterschiede. Auch wenn die Keramik bisher nicht rekonstruiert wurde, fällt auf, dass in zwei seewärtigen Häusern nur sehr wenig davon vorkommt (das könnte aber auch erhaltungsbedingt sein).

Aus zwei Häusern stammen besonders viele Knochengeräte (Meißel, Pfrieme), dafür aber überhaupt keine Depots mit Perlrohlingen bzw. Schleifsteine mit Rillen.

Auch bei den für die Siedlung von Hornstaad besonders kennzeichnenden Dickenbännlibohrern, die wie die Schleifplatten mit Rille für die Herstellung von Kalksteinperlen genutzt wurden, gibt es landwärtig in AH 1 mehrere Konzentrationen, während sie im Ostbereich fehlen. Exakt dieselbe Beobachtung kann bei der Verteilung der in AH2 konservierten Kalksteinperlendepots selbst gemacht werden. Eine gewisse Spezialisierung deutet sich also sehr wohl an, Perlen wurden offensichtlich nicht in allen Wirtschaftseinheiten hergestellt.

Die gesellschaftspolitische Bedeutung dieses Produktionszweiges, der wahrscheinlich über den Eigenbedarf hinaus erzeugte, ist schwierig. Eine Spezialisierung deutet sich nicht zuletzt aber auch durch die unterschiedliche Verteilung der Dickenbännlibohrer und der Pfeilspitzenhalbfabrikate an.

Insgesamt lässt der Vergleich der Hausinventare einen vorsichtigen Schluss auf eine egalitäre Dorfgesellschaft zu, in der jedes Haus eine eigenständige Wirtschaftseinheit darstellt. Nur in gewissen Bereichen (Perlen, Knochengeräte, …) ist eine Spezialisierung erkennbar.

d. Die Siedlung nach dem Brand – AH3

Der Beginn des Wiederaufbaus weist derzeit noch eine etwas unklare Datierung auf, möglicherweise begann er schon im Jahr 3907 v. Chr. und endete drei Jahre später. In der Literatur ist durchwegs von einem mehr oder weniger nahtlosen Übergang die Rede, trotzdem befindet sich über AH 2 flächendeckend eine gleichzeitig entstandene Detritusschicht, die diese Angabe meines Erachtens wieder etwas relativiert.

Die mit dem Wiederaufbau begonnene Siedlungsphase ist im Befund jedenfalls durch eine teilweise schwer zu entwirrende, keineswegs homogene Schichtabfolge aus unterschiedlichen Lehmarten, geringen Mengen Sand sowie durch bis zu 15cm große Seekreidebrocken und Detrituslagen repräsentiert. Oft befanden sich mehrere Lehmlagen übereinander oder nebeneinander, ohne dass eine deutliche Randausbildung zu beobachten gewesen wäre. Seewärts war das Paket nur mehr zirka 10cm hoch erhalten, was die Auftrennung auch nicht gerade erleichterte, landwärts immerhin bis zu 25cm.

Die Kartierung der (ungebrannten!) Lehm- und Seekreidebrocken, deren teils glatt verstrichene Außenseite an dünnen, braunen Schmutzschichten zu erkennen ist, dürfte mit Flächen von 3-4×9m teilweise gut den abgebrannten Häusern von AH 1 bzw. AH 2 entsprechen. Da die Pfostenstellungen in diesem Horizont aber etwas unübersichtlich sind, ist die dendrochronologische Überprüfung dieses Sachverhalts noch nicht publiziert.

Im Archäologischen Horizont 3 lassen sich fast nur Abfälle finden, da die Siedlung keiner weiteren plötzlichen Zerstörung anheim viel. Interessanterweise lassen sich für die Entsorgung – vor allem was die Knochenverteilung betrifft – dieselben Zonen festmachen, die auch in AH 1 dafür genutzt wurden. Bisher ist nicht geklärt, ob es sich um ein ähnliches Knochenspektrum handelt, oder ob sich möglicherweise insbesondere die Zusammensetzung des Wildtieranteils in den ersten Jahren nach dem Zuzug verändert hat.

Auffallend ist, dass vor allem in der Brandschicht Steingeräte aus Schwarzgestein, die als Fertigstück über 150km antransportiert wurden, sehr wohl vorkommen, während sie im Archäologischen Horizont 3 offensichtlich fehlen.

e. Herausragende Funde von Hörnle I

– Ein Kamm aus feinen Holzspänen, die mit einem Pechklumpen zusammengesetzt wurden.

– Eine verkohlte Schmuckperle aus Steinsamen sowie durchlochte Schlehenkerne, die zu Schmuckketten gehört haben dürften.

– Ein Sieb mit verkohlten Getreideresten in den Maschen.

– Eine Scheibe aus Kupfer, das aus dem Gebiet der heutigen Slowakei stammt. Es handelt sich um einen der frühesten Kupferfunde im deutschen Raum.

– Rindenschachteln, Textilreste aus Baumbast, Umhänge, …

 

3. Hornstaad Hörnle II

Die Siedlung Hornstaad Hörnle II liegt etwa 50m von Hörnle I entfernt, wurde ursprünglich aber pollenanalytisch 300 bis 650 Jahre jünger datiert. Nach den mittlerweile vorliegenden Schlagdaten ist sie aber nur etwa 40 Jahre jünger und um 3869/8 BC anzusetzen!!!

Die Häuser waren in mehr oder weniger klaren Reihen angeordnet, die gezeigte Rekonstruktionsdarstellung ist freilich stark vereinfacht. Die Annahme, dass es sich bei Hörnle II um die Nachfolgesiedlung von Hörnle I handelt, ist gerechtfertigt, da unter anderem die gleiche Pfahlschuhkonstruktion und andere ähnliche Baubestandteile verwendet wurden.

Im Unterschied zu Hörnle I ist die Siedlung aber N-S orientiert und 8 bis 10 m von der Innenbebauung entfernt mit einem Zaun oder einer Palisade geschützt. Ein erhöhtes Schutzbedürfnis äußert sich auch durch die insgesamt näher zum See verrückte Lage.

Die Häuser wurden aus Eschenholz errichtet, was den Schluss zulässt, dass sich die langsam nachwachsenden Eichenbestände noch nicht von den Rodungen der Bewohner von Hörnle I erholt hatten. Im Vergleich dazu verwendete ein späteres Dorf in einer anderen Bodenseebucht sehr wohl wieder Eiche als Bauholz.

Anscheinend gab es im Jungneolithikum am Bodensee alle 30 oder 40 Jahre eine Verlagerung der Dörfer.

4. Hornstaad Hörnle III

Diese Siedlung steht möglicherweise mit Hörnle II in Verbindung.

 

5. Hornstaad Hörnle IV und V

gehören der Horgener Kultur an.

6. Die zoologischen Untersuchungen

Den bisherigen zoologischen Untersuchungen zu Folge wurde der Fleischbedarf, abgesehen vom Fischfang, vor allem durch die Jagd gedeckt, Haustiere spielten offensichtlich nur eine geringere Rolle. Im Wesentlichen handelt es sich bei diesen um Rind und Hausschwein, wobei im Siedlungsareal keine Ställe und auch keine Trittspuren im nassen Untergrund festgestellt werden konnten. Es ist von einer Waldweide bzw. im Winter von Laubheufütterung auszugehen.

7. Die botanischen Untersuchungen von Hornstaad-Hörnle IA

 

Da in Feuchtbodenmilieus meistens eine hohe Anzahl von botanischen Resten in guter Erhaltung auftritt, ist es wichtig, mit einer festgelegten Probennahmestrategie zu arbeiten.

Am bedeutendsten war im gegenständlichen Fall natürlich die Brandschicht, die eine Art Momentaufnahme mit verkohltem Holz und Vorräten darstellt – pro Quadratmeter wurden in diese vier Röhrchen eingeschlagen und der Inhalt untersucht.

Von den Archäologischen Horizonten AH 1 und AH 3, die großteils aus vom Menschen eingebrachten Abfall bestehen (dementsprechend hoch ist darin etwa die Anzahl von Samenschalenfragmenten), wurde jeweils eine Detritus-Probe für je 2 Quadratmeter genommen. In einem groben 10m Raster wurden weiters Profilkolonnen entnommen, die gleichzeitig auch sedimentologisch untersucht wurden. Besondere Ansammlungen wurden als Einzelproben geborgen.

Bei den Getreidefunden in der Brandschicht ließ sich landwärts eine höhere Konzentration feststellen, seewärts umgekehrt ein höherer Anteil von Wasserpflanzen, was bedeutet, dass das Getreide hier teilweise abgespült wurde. Die verschiedenen Getreidesorten wurden getrennt gelagert und daher auch getrennt angebaut. Am bedeutendsten war der Nacktweizen.

Wenn man die in der Brandschicht durchschnittlich enthaltenen Körnermengen hochrechnet, kommt man pro Hausfläche auf etwa 275kg eingelagertes Getreide, wofür geschätzt eine Anbaufläche von zirka 3500 bis 4500m2 Fläche notwendig war. Eine Düngung war bei einer nur wenige Jahrzehnte langen Besiedelung nicht notwendig.

Das gesamte Ackerland der Siedlung hätte diesen Hochrechnungen zufolge zwischen 15 und 20 Hektar umfasst, es war vermutlich zwischen 300 bis 800m vom Dorf entfernt. Diese Standortbestimmung basiert auf den dem Getreide beigemengten Unkrautsamen, die auf einen schwach humosen bis humosen Lehmboden mit hohem bis sehr hohem Nährstoffgehalt hindeuten. Derartige Böden können nur oberhalb des sogenannten 408-Meter Kliffs gelegen haben.

Aus der Wuchshöhenverteilung der Unkräuter lassen sich Rückschlüsse auf die Art der Getreideernte ziehen: Niederwüchsige Arten finden sich nur ganz selten, es kommen fast ausschließlich mittel- bis hochwüchsige vor. Demzufolge handelt es keinesfalls nur um ein Abschneiden der Ähren, aber auch nicht um eine Ernte in Bodennähe. Die Analyse der gefunden Getreidehalmstücke zeigt, dass mit Hilfe von Erntemessern ein gutes Stück unterhalb der Ähre, aber oberhalb des ersten Knotens abgeschnitten wurde. Da die Unkrautmengen freilich insgesamt relativ gering sind, wurde wohl gut gejätet. Dass praktisch keine mehrjährigen Unkräuter vorkommen, lässt auf eine gründliche Bodenbearbeitung schließen.

Die Vorräte bestehen zum Großteil aus eingelagerten ganzen Ähren, die zum Trocknen aufgelegt und erst in der Siedlung nach Bedarf gedroschen wurden. Die gereinigten Körner wurden in Tongefäßen aufbewahrt. Verkohlte Getreideprodukte fanden sich ausschließlich in der Form von Breien oder Teigen und nicht als Brot.

Flachs wurde zur Herstellung von Textilien und Netzen verwendet, die Kapsel für die Ölgewinnung gedroschen. Anscheinend wurde die ganze Pflanze ausgerauft und erst im Dorf zerteilt. Er fand sich ähnlich wie der Schlafmohn wesentlich häufiger in der Pfyner Besiedelungsschicht vor.

An Wildobst, Samen bzw. Früchten gelang der Nachweis von Erdbeere, Himbeere, Brombeere, Wildapfel, Roter Hartriegel, Schlehensteine, Haselnüsse, Bucheckern etc. Neben diversen Gemüsearten und Gewürzen kam auch eine einzige Erbse zum Vorschein. Ein gehäuftes Auftreten der Mistel ist noch nicht gut erklärt, eventuell steht es in Zusammenhang mit der Laubheufütterung.

Da der Siedlungsbrand vermutlich im Spätsommer stattfand, sind im Spektrum keine verkohlten Äpfel, wie sie von anderen Siedlungen bekannt sind, enthalten – die neuen Vorräte waren wohl noch nicht eingelagert und die alten schon verbraucht. Abgesehen von wenigen Wintermonaten lassen sich am botanischen Material während des ganzen Jahres Aktivitäten der Siedler belegen.

Die Siedlung selbst wurde während ihres Bestandes mehrmals überschwemmt und ist dann wieder trocken gefallen, je nach Jahreszeit hatten die Abfälle daher auch unterschiedliche große Chancen, einsedimentiert zu werden. Im Dorfbereich gab es eine Schlamm- und Unkrautvegetation, aber keinen dichten Riedgürtel. Direkt hinter der Siedlung begann eine Weichholzau mit Weiden und Pappeln, in den höher gelegenen Bereichen bis etwa 400m fanden sich weiters noch Esche, Stieleiche und Erle, über 400m Buchen, Linden, Eichen und Ahorn.

Der Mensch hat die Ausbreitung von Vertretern des feuchten bis nassen Wiesenlandes gefördert, es gab teilweise also schon eine Vorstufe von Grünland. An den Rändern der Rodungsflächen entstanden Gebüschsäume.

8. Die Bodenkundliche Untersuchung des Hinterlandes

Für die bodenkundlichen Untersuchungen wurden mit dem Bagger verschiedene Sondagen bis 200m weit in das Hinterland gezogen. Es konnte dadurch festgestellt werden, dass in diesem Bereich alte Humushorizonte teilweise von über 2,5m starken Kolluvien überlagert sind, was für das Hinterland vieler Seeufersiedlungen typisch ist. Das erklärt auch, warum herkömmliche Prospektionsmethoden (Begehung, Luftbild, …) hier meist versagen.

Die pedologischen Analysen zeigen deutlich die Folgen jahrtausendelanger ackerbaulicher Nutzung. Charakteristischerweise führen Erosions- und Akkumulationsbereiche zu einem starken Reliefausgleich. Die ursprüngliche Parabraunerde war zum Teil bis über einen Meter stark, ist aber heute in vielen Bereichen aberodiert, wodurch sich die Bodenqualität massiv verschlechtert hat, wie auch auf Vergleichsgrafiken zu erkennen ist. Umgekehrt entstanden dadurch in den Senken mächtige Kolluvien.

Die Bildung der ältesten Kolluvien passierte spätestens ab dem fr. Jungneolithikum (C14 Datierung von Holzkohle), vermutlich sogar noch früher. Die Entwicklung der Parabraunerde war damals bereits abgeschlossen, da sie auch unter diesen Kolluvien existiert, die durchschnittlich etwa einen halben Millimeter im Jahr angewachsen sein dürften. Der Zuwachs ist im Spätneolithikum noch eher gering, steigt in der Bronzezeit sehr stark an und nimmt bis ins frühe Mittelalter wieder ab, um dann wieder rasant zuzunehmen.

Die Rekonstruktion der Uferlinie ist derzeit noch in Arbeit begriffen. Die pollenanalytische Datierung von Seekreiden wird zeigen, wie nahe der Tiefwasserbereich an die Siedlung reichte. Heute liegt die Siedlung am Rand einer bis zu 800m breiten Flachwasserzone, die im Winterhalbjahr teilweise trocken fällt. Nach bisherigem Ausweis der Palynologie war diese Flachwasserzone zur Zeit der ersten Besiedelung aber wesentlich schmäler, die Dörfer wurden also vielleicht in unmittelbarer Nähe des Abfalls zum eigentliche Seebecken errichtet. Durch Bohrungen konnte vor der Siedlung eine Seekreidemächtigkeit von bis zu 12m festgestellt werden, die sich erst im Atlantikum gebildet haben dürfte.

Landwärtig von der Siedlung liegt das sogenannte „400m Kliff“. Ursprünglich wurde es mit einem mesolithischen Seestand in Verbindung gebracht, da aber in der Seeschüttung gelegentlich Keramik enthalten ist, handelt es sich eindeutig um einen neolithischen oder jüngeren Wasserstand!

Das höchste vom See abgelagerte Material befindet sich auf 400 m ü. NN, was 4m höher als der heutige mittlere Sommerhochwasserstand von 396 m ist. Da in einer Höhe von 399 Metern Wechselbänder aus Kies, Sand und organischem Material abgelagert sind, handelt es sich eindeutig nicht um einen einmaligen, sondern um einen hohen mittleren Sommerhochstand. Als Terminus post quem können für diesen Pfhyn und Horgen angegeben werden. Etwas näher am See findet sich in derselben Höhe ein zusammen gespülter Strandwall (unter anderem mit bearbeiteten Eichenhölzern und sogar Menschenknochen), wobei eine Torfschicht das Ende des Seeeinflusses markiert. Die Torfschicht dürfte älter sein als offensichtlich vor Ort zerscherbte Keramik, die sich an der Unterkante des sie bedeckenden Kolluviums fand, und die in die Urnenfelderzeit datiert. Es lassen sich also sehr starke Schwankungen des Bodenseespiegels feststellen!

Und zum Abschluss ein Bild meiner Lieblingsfundgattung: Birkenrindenteerklumpen mit menschlichen Bissspuren – sind es neolithische Kaugummi?

9. Verwendete Literatur:

Liese-Kleiber 1985: Pollenanalysen in der Ufersiedlung Hornstaad-Hörnle I. Untersuchungen zur Sedimentation, Vegetation und Wirtschaft in einer neolithischen Station am Bodensee, Stuttgart 1985.

B. Dieckmann et al. 1990: Zum Stand der archäologischen Untersuchungen in Hornstaad. In: Bericht der Römisch-Germanischen Kommission, Band 71, 1990, 84-140.

H. Schlichtherle 1990: Die Sondagen 1973-1978 in den Ufersiedlungen Hornstaad-Hörnle I. Siedlungsarchäologie im Alpenvorland I, Stuttgart 1990.

A. Billamboz und B. Dieckmann 1991 Siedlungsfolge im Jahrringkalender. Die jungneolithischen Dörfer von Hornstaad-Hörnle, Kreis Konstanz. In: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1991, 72-76.

B. Dieckmann, U. Maier und R. Vogt 1992: Die neolithischen Ufersiedlungen von Hornstaad-Hörnle am Bodensee, Kreis Konstanz. Neue Ergebnisse der Archäologie, Botanik und Bodenkunde. In: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1992, 67-74.

H. Schlichtherle (Hrsg.) 1997: Pfahlbauten rund um die Alpen. Stuttgart 1997.

M. Ahrens, U. Maier und R. Vogt 2001: Botanische und pedologische Untersuchungen zur Ufersiedlung Hornstaad-Hörnle 1A, Siedlungsarchäologie im Alpenvorland VI, Stuttgart 2001.

J. Hoffstadt 2005: Die Untersuchung der Silexartefakte von Hornstaad-Hörnle IA. Siedlungsarchäologie im Alpenvorland VII, Stuttgart 2005.

Maurer Jakob

Matr.Nr. 0605641

309 8/1

 

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